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Überblick Vertragshändlerrecht – Informationen und rechtliche Grundlagen

Das Vertragshändlerrecht behandelt alle Rechtsfragen, die die Geschäftstätigkeit eines Vertragshändlers für einen anderen Unternehmer betreffen. Nachdem es keine gesetzlichen Regelungen für Vertragshändler gibt, finden einige Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) für Handelsvertreter auch für Vertragshändler Anwendung.

Was ein Vertragshändler ist, wie wichtig das Vertragsgebiet ist, was Exklusivität bedeutet, inwieweit spätere Vertragsänderungen möglich sind sowie weitere Besonderheiten im Vertragshändlerrecht erfahren Sie in diesem Beitrag.

Vertragshändlerrecht kurz zusammengefasst:

  • Vertragshändler sind selbständige Gewerbetreibende, die in dauerhafter Vertragsbeziehung in eigenem Namen und für eigene Rechnung Waren und/oder Dienstleistungen vertreiben und zu Vertrieb und Absatzförderung gegenüber einem Unternehmer verpflichtet sind.
  • Eine gesetzliche Definition für den Vertragshändler gibt es nicht.
  • Die Vorschriften im HGB für Handelsvertreter werden zum Teil auch auf Vertragshändler angewendet.
  • Exklusivität bzw. das Recht zum ausschließlichen Vertrieb in einem bestimmten Gebiet muss konkret vereinbart werden.
  • Spätere Vertragsänderungen bezogen auf das Vertragsgebiet sind allenfalls unter engen Voraussetzungen zulässig.
  • Ein Vertragshändler kann nach Beendigung des Händlervertrages unter Umständen einen Anspruch auf Ausgleichszahlung haben.

Wer ist Vertragshändler?

Vertragshändler ist, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, im eigenen Namen oder auf eigene Rechnung Waren und/oder Dienstleistungen eines Unternehmers zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern. Auftraggeber des Vertragshändlers ist regelmäßig der Hersteller oder Lieferant der Vertragsprodukte, der die Absatzorganisation vorgibt und den Vertragshändler hier einbindet.

Je nach Art und Umfang der Einbindung des Vertragshändlers in die Vertriebsorganisation des Unternehmers finden sich in der Praxis unterschiedliche Typen von Vertragshändlerverträgen, wie z.B. selektive Vertriebsverträge, Alleinvertriebsverträge und insbesondere Händlerverträge im Kfz Bereich (mit starker Markenbindung).

Vertragshändler werden häufig auch abweichend bezeichnet, wie z.B. Eigenhändler, Vertriebshändler, Fachhändler oder autorisierte Händler. Durch die Begriffsbezeichnung allein findet keine rechtliche Festlegung statt. Entscheidend sind die vertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten.

Vertragshändler können als Großhändler, Zwischenhändler oder Einzelhändler tätig sein. Sie können mit Produkten von einem oder mehreren Unternehmen auf nationaler oder internationaler Ebene handeln.

Gilt das Handelsvertreterrecht auch für den Vertragshändler?

Der Handelsvertreter ist – anders als der Vertragshändler – gesetzlich unter den §§ 84 ff. HGB geregelt. Danach ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.

Vertragshändler und Handelsvertreter sind beide selbstständig und zur Absatzförderung gegenüber einem Unternehmer verpflichtet. Im Unterschied zum Handelsvertreter, der Ware im fremden Namen des Unternehmers und für dessen Rechnung tätig wird, kauft und verkauft der Vertragshändler Ware und/oder Dienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Ein Vertragshändler vermittelt also keine Geschäfte wie der Handelsvertreter.

Die Rechtsprechung hat Grundsätze entwickelt, nach denen Vorschriften des Handelsvertreterrechts auf das Vertragshändlerverhältnis in bestimmten Fällen entsprechend angewendet werden können. Insofern finden sich Anknüpfungspunkte für die rechtliche Behandlung eines Vertragshändlervertragsverhältnisses, wenn der Vertrag unpräzise oder gar keine Regelungen zu einem konkreten Problemfall enthält. Der Vertragshändler wird dadurch ähnlich wie ein Handelsvertreter geschützt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Vertragshändler durch den Händlervertrag handelsvertretertypische Rechte und Pflichten übernommen hat und diese in erheblichem Umfang Aufgaben erfüllt, wie sie auch von einem Handelsvertreter wahrgenommen werden.

Eine handelsvertretertypische Einbindung in die Vertriebsorganisation des Herstellers oder Lieferanten liegt in der Regel vor, wenn

  • dem Vertragshändler ein bestimmtes Verkaufsgebiet zugewiesen ist,
  • der Vertragshändler zum ausschließlichen Vertrieb der Herstellerprodukte,
  • zur Werbung und Kundenbetreuung sowie
  • zur Lager- und Vorratshaltung verpflichtet wird und
  • er einem Konkurrenzverbot unterliegt.

Die Verpflichtung, die Marke des Herstellers zu verwenden, Gewährleistung zu übernehmen sowie Informationen über die eigenen Geschäftsverhältnisse und die Marktlage zu geben, sprechen ebenfalls für eine solche Einbindung.

Die Vorschriften über den Handelsvertreter im HGB sind aber nicht durchgehend auf den Vertragshändler anwendbar. In jedem einzelnen Anwendungsfall muss geklärt werden, ob die jeweilige Regelung der Interessenlage eines Vertragshändlerverhältnisses entspricht.

Unter anderem für folgende Regelungen hat die Rechtsprechung die analoge Anwendung der Regelung zum Handelsvertreterrecht auf Vertragshändler bejaht:

  • Pflicht zur Wahrung der Interessen des Unternehmers durch den Vertragshändler (§ 86 Abs. 1 HS 2 HGB),
  • vertragliches Konkurrenzverbot (§ 86 Abs.1 HGB),
  • Zurückbehaltungsrecht (§ 88 Abs. 2 HGB),
  • Mindestkündigungsfristen (§ 89 HGB),
  • Außerordentliche Kündigung (§ 89 a Abs.1 HGB),
  • Schadensersatzanspruch bei außerordentlicher Kündigung (§ 89 a Abs.2 HGB) und
  • Nachvertragliche Wettbewerbsabrede (§ 90 a HGB).

Allerdings werden die Mindestkündigungsfristen des § 89 HGB oft als nicht ausreichend angesehen, weil nach der Rechtsprechung der Vertragshändler mehr Zeit benötigt, sich auf einen neuen Geschäftsbetrieb umzustellen, als die Kündigungsfristen erlauben.

Ferner steht dem Vertragshändler keine Bezirksprovision nach § 87 Abs.2 HGB zu.

Warum ist die Festlegung eines Vertragsgebietes wichtig?

Die Übertragung eines bestimmten Vertriebsgebietes auf den Vertragshändler ist der Normalfall bei der Vereinbarung des Vertragshändlervertrags. Das ist zur Vermeidung übermäßiger Konkurrenztätigkeit aber auch zur leichteren Bewertung von Geschäftserfolgen des Händlers im zugewiesenen Vertragsgebiet sinnvoll.

Die Festlegung des Gebietes sollte möglichst präzise erfolgen. Das ist einerseits geographisch durch die Bestimmung von Postleitzahlbereichen oder Ländergrenzen machbar. Andererseits ist z.B. zu überlegen, ob die Endkunden in dem zugewiesenen Vertragsgebiet ihren Sitz haben müssen und wie etwa bei Bestellungen von Zweigniederlassungen der gebietsansässigen Endkunden zu verfahren ist, die ihren Geschäftssitz außerhalb des Vertragsgebietes haben.

Vertragliche Regelungen in diesem Bereich sind unter Beachtung des Kartellrechts zu gestalten, das wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen untersagt.

Was ist unter Exklusivität bzw. Alleinvertrieb zu verstehen?

Mit dem Vertragshändlervertrag kann Exklusivität oder das Recht zum Alleinvertrieb vereinbart werden. Zwingend ist das allerdings nicht.

Gesetzlich ist der Umfang eines exklusiven Vertriebsrechts oder des Alleinvertriebs nicht geregelt. Insofern sollte eine eindeutige Festlegung der Art und des Umfangs geregelt werden. Hierbei sind folgende Regelungspunkte von besonderer Bedeutung:

  • Einschränkung des Rechts zur Belieferung weiterer Vertragshändler, Handelsvertreter oder sonstiger Vertriebspartner im Vertragsgebiet;
  • Einschränkung des Rechts des Unternehmers zum Eigenvertrieb an Endverbraucher im Vertragsgebiet;
  • Verpflichtung des Vertragshändlers zum alleinigen Bezug von Vertragsprodukten beim Unternehmer;
  • Maßnahmen zum Konkurrenzschutz im Vertragsgebiet.

Expertentipp:

Soweit Exklusivität oder das Recht des Vertragshändlers zum Alleinvertrieb im Vertragsgebiet gewährt werden soll, sind Art und Umfang der vorgenannten Kriterien unbedingt vertraglich zu spezifizieren um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Denn ohne solche Festlegungen ist nicht zwingend klar, ob und in welchem Umfang der Vertragshändler vor Konkurrenztätigkeit im Vertragsgebiet geschützt ist.

Ergibt sich entweder durch unpräzise vertragliche Regelung oder gar einen ausdrücklichen Ausschluss des exklusiven Vertriebsrechts, kann der Vertragshändler vom Unternehmer oder möglicher Konkurrenz nicht verlangen, den Vertrieb im Vertragsgebiet zu unterlassen. Damit ist der Vertragshändler dem Direktvertrieb des Unternehmers oder der Konkurrenztätigkeit anderer Absatzmittler im Vertragsgebiet ausgesetzt.

Zwar hat der Unternehmer bei Direktgeschäften im Vertragsgebiet seine Treuepflicht gegenüber dem Vertriebspartner zu beachten, wonach eine direkte Konkurrenz bei intensiver Einbindung des Vertragshändlers in die Absatzorganisation vertragswidrig sein kann. Streit ist bei dieser Vertragslage jedoch vorprogrammiert.

Kann das Vertragsgebiet nach Vertragsabschluss geändert werden?

Unternehmer haben nicht selten ein Interesse daran, das einmal übertragene Vertragsgebiet zu verkleinern oder zu vergrößern oder in dem exklusiv übertragenen Vertragsgebiet einen weiteren Absatzmittler einzusetzen. Die Möglichkeiten hierzu sind jedoch beschränkt:

  • Die einseitige Änderung des Vertragsgebiet ist nur in engen Grenzen möglich. So ist z.B. eine Teilkündigung des Vertrags regelmäßig unzulässig. Zulässig kann eine Teilkündigung allenfalls bei mehreren selbständigen Vertragsteilen sein, mit denen z.B. nach dem ursprünglichen Abschluss des Händlervertrags ein zusätzliches Vertragsgebiet aufgenommen wurde, das später separat von dem Grundvertrag unter engen Voraussetzungen (teil-)gekündigt werden kann.
  • Eine Änderungskündigung ist hingegen zulässig. Damit kündigt der Unternehmer den Gesamtvertrag und bietet die Fortsetzung des Vertragshändlervertrags zu geänderten Bedingungen, nämlich z.B. in einem abweichenden Vertragsgebiet, an. Nimmt der Vertragshändler das Angebot nicht an, endet der Vertrag mit der Folge, dass für den Vertragshändler ein Anspruch auf Vertragshändlerausgleich entstehen kann.
  • Die Änderung des Vertragsgebietes kann aber auch durch einen entsprechenden Änderungsvorbehalt im Vertragshändlervertrag vorbehalten sein. Solche Änderungsvorbehalte sind nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig. Wird ein solcher Änderungsvorbehalt individualvertraglich zwischen den Parteien ausgehandelt und vereinbart, können solche Vereinbarungen eher wirksam sein, es sei denn dem Unternehmer kann Sittenwidrigkeit oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben zur Last gelegt werden. Die Vereinbarung in Standardverträgen unterliegen der AGB-Kontrolle und werden hinsichtlich der Wirksamkeit insbesondere auf unangemessene Benachteiligung und mangelnde Transparenz im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung geprüft. Hierbei verlangt die Rechtsprechung bei solchen Regelungen, dass schwerwiegende Änderungsgründe ausdrücklich aufgeführt werden und die Interessen des Vertragshändlers vertraglich Berücksichtigung finden müssen.

Expertentipp:

In der Praxis finden sich individuelle Vereinbarungen eher selten. Änderungen der Vertragsgebiete aufgrund von Änderungsvorbehalten in Standardverträgen sind nicht selten unwirksam, weil entweder die vertragliche Regelung nicht den Anforderungen der Rechtsprechung standhält oder die Ausübung der Änderung im konkreten Einzelfall unangemessen ist und dies von einem damit befassten Gericht auch rechtlich geprüft wird.

Soweit in den Vertragshändlervertrag ein Änderungsvorbehalt aufgenommen werden soll, sind die in der Zukunft liegenden schwerwiegenden Änderungsgründe möglichst genau und realitätsbezogen zu erfassen. Im Übrigen sollten die Interessen des Vertragshändlers berücksichtigt werden (Gewährung einer ausreichenden Umstellungsfrist, Ausgleichszahlung, Erstattung von Investitionen, etc.).

Ist die Änderung des Vertragsgebietes bereits entschieden, so sollte sehr sorgfältig abgewogen werden, ob der Vertrag hierfür eine hinreichende Rechtsgrundlage bietet oder die Änderung auf andere Weise (z.B. Teilkündigung, Änderungskündigung, Teil-Aufhebungsvereinbarung) rechtssicher herbeigeführt werden kann.

Hat der Vertragshändler Anspruch auf einen Ausgleich nach Vertragsende?

Der Vertragshändler kann ebenso wie der Handelsvertreter ausgleichsberechtigt sein, wenn er mit dem Rahmenvertrag dem Handelsvertreter typische Rechte und Pflichten übernommen hat und in erheblichem Umfang Aufgaben erfüllt, wie sie auch von einem Handelsvertreter wahrgenommen werden.

Siehe dazu unsere Hinweise zum Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers.

Hat der Vertragshändler einen Anspruch auf die Rücknahme des Ersatzteillagers nach Kündigung des Vertrages?

Der Vertragshändler kann nach Beendigung des Vertragsverhältnisses sein Lager kaum noch verwerten bzw. hat hierfür keine vertragliche Grundlage mehr.

Ob der Unternehmer zur Rücknahme des Lagers verpflichtet ist, richtet sich danach, aus welchem Anlass der Vertragshändlervertrag beendet wurde. Der Unternehmerist zur Rücknahme jedenfalls dann verpflichtet, wenn er sich vertragswidrig verhalten und der Vertragshändler aus diesem Grunde den Vertrag gekündigt hat.

Soweit keine anderslautende Vereinbarung getroffen ist, besteht andererseits keine Rücknahmeverpflichtung, wenn der Vertragshändler die Beendigung des Vertragsverhältnisses verschuldet hat.

Wird das Vertragsverhältnis allerdings ordentlich beendet, ergibt sich die Pflicht des Unternehmers zur Rücknahme des Lagers aus der Lagerabrede.

Bei der Rückgabe ist der Wert des Waren- bzw. Ersatzteillagers abzugelten, der sich nach den Händlereinstandspreisen richtet. Eine Wertminderung ist grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, soweit Wertminderungen tatsächlich nicht eingetreten sind.

Was wir für Sie im Vertragshändlerrecht tun können:

Wir sind auf die Beratung und Unterstützung von Vertragshändlern und Unternehmern spezialisiert. Hier können wir Sie insbesondere in folgenden Bereichen unterstützen:

  • Prüfung, Gestaltung und Verhandlung von Vertragshändlerverträgen
  • Beratung zur Wahl geeigneter Vertriebsstrukturen und Vertriebsformen
  • Beratung und Vertretung von Vertragshändlern und Unternehmen bei rechtlichen Auseinandersetzungen
  • Klärung von Rechtsfragen im Vertragshändlerrecht
  • Gesellschaftsrechtliche Beratung von Vertragshändlergesellschaften
  • Beratung und Gestaltung von Nachfolgevereinbarungen und Verkauf des Vertragshandels

Nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf.

Ihr Ansprechpartner in München zu diesem Thema ist:

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