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Handelsvertreter Provision während Corona-Pandemie

Hat Handelsvertreter Anspruch auf Provision, wenn Geschäfte nicht ausgeführt werden?

Regulär hat der Handelsvertreter Anspruch auf Provision für die von ihm vermittelten Geschäfte (§ 87 Abs. 1 S. 1 HGB). Die Provision wird fällig, wenn der Unternehmer das Geschäft ausgeführt hat, soweit dazu nichts Abweichendes vereinbart ist (§ 87 Abs. 1 S. 1 HGB). Regelmäßig wird in Handelsvertreterverträgen vereinbart, dass die Provision erst fällig wird, wenn der Kunde bezahlt hat.

Als Folge der Corona-Pandemie sind die „normalen“ Vertragsverhältnisse in vielen Fällen jedoch gestört. Unternehmer können infolge von Betriebsstillstand und/ oder unterbrochenen Lieferketten ihren vertraglichen Pflichten gegenüber ihren Kunden nicht oder nicht voll umfänglich nachkommen. Mangels Ausführung der Geschäfte durch Unternehmen und/ oder Zahlung von Kunden stellt sich die Frage, ob Provisionsansprüche des Handelsvertreters ausfallen oder bestehen bleiben.

Grundsätzlich sind Verträge zu einzuhalten, wie sie ursprünglich geschlossen sind. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie können jedoch zu Ausnahmen und Abweichungen von diesem Grundsatz führen.

Zunächst gelten für die jeweiligen Vertragspartner beiderseitige Rücksichtspflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). Ferner kann einem Vertragspartner die Leistung unmöglich oder unzumutbar werden (§ 275 BGB). Auch kann die Anpassung des geschlossenen Vertrages und der damit versprochenen Leistungen wegen gestörter Geschäftsgrundlage erforderlich werden (§ 313 BGB).

Haben Handelsvertreter Anspruch auf Provision, wenn Geschäfte wegen Corona nicht ausgeführt werden?

Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf Provision ist die erfolgreiche Geschäftsvermittlung durch den Handelsvertreter (Ausnahme Bezirksvertretung). Ist die Vermittlung erfolgt, aber das Geschäft infolge der Corona-Pandemie z.B. wegen Lieferschwierigkeiten oder Betriebsschließung nicht oder nicht vollständig ausgeführt und/oder verweigert der Kunde die Annahme der Ware, tritt vom Vertrag zurück oder bezahlt nicht, kann sich das auf den Provisionsanspruch auswirken.

Gemäß § 87 a Absatz 3 HGB behält der Handelsvertreter seinen Provisionsanspruch, wenn das Unternehmen die Nichtausführung des Geschäfts, so wie es abgeschlossen wurde, zu vertreten hat.

Nichtausführung des abgeschlossenen Geschäfts durch das Unternehmen in Corona-Krise

Ist z.B. der Betrieb geschlossen oder die Lieferkette wegen der Corona-Pandemie unterbrochen, so dass das vertretene Unternehmen die bestellte Ware nicht oder nicht voll umfänglich liefern kann, wird sich das Unternehmen regelmäßig auf „Höhere Gewalt“ berufen. Lieferverträge enthalten regelmäßig derartige Klauseln „Force Majeure/ Höherer Gewalt“, wodurch das Unternehmen ersatzlos von der Leistungspflicht befreit wird oder die vereinbarte Lieferfrist hinausgeschoben werden kann.

Ist eine solche Klausel in den Lieferverträgen nicht enthalten, so kann sich das Unternehmen bei Vorliegen der Voraussetzungen auf die Unmöglichkeit der Leistungserbringung (§ 275 BGB) oder die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen.

Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB mit der Folge des Entfalls der Pflicht des Unternehmens, die vereinbarte Leistung zu erfüllen tritt dann ein, wenn die Leistungspflicht unmöglich oder unverhältnismäßig geworden ist. Bevor sich das Unternehmen hierauf berufen kann, muss es alle machbaren und zumutbaren Möglichkeiten der Vertragserfüllung/ Lieferung versuchen, selbst wenn dies zu einem erhöhten Aufwand zulasten des Gewinns gehen würde.

Nur wenn der geschlossene Vertrag auf andere Weise nachweislich vom Unternehmen nicht erfüllt werden kann, kann sich das Unternehmen auf Unmöglichkeit berufen und wird von der Erbringung der Leistungspflicht frei. Ein Anspruch auf Schadensersatz des Kunden wegen nicht erfolgter Lieferung besteht nur, wenn das Unternehmen das zu vertreten hat. Corona bedingt wird dem Unternehmen wohl ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden können. Ausnahmen dazu können natürlich vorliegen, wenn im Einzelfall die Lieferung oder Ersatzlieferung dennoch möglich wäre oder z.B. die Unmöglichkeit der Geschäftsausführung schon bei Abschluss des Geschäfts für das Unternehmen erkennbar war und keine geeigneten Vorkehrungen getroffen worden sind.

Hat das Unternehmen die Unmöglichkeit nicht zu vertreten, schlägt dies auch auf die Provision für den Handelsvertreter durch. Die Provision kann in dem Fall nicht verlangt werden, es sei denn das Geschäft kann noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt werden.

Verweigerung der Abnahme durch den Kunden / Rücktritt vom Vertrag wegen Corona-Krise

Nach den Allgemeinen Lieferbedingungen von Unternehmen haben Kunden regelmäßig kein Recht, die Annahme der gelieferten Ware zu verweigern oder vom geschlossenen Vertrag zurückzutreten. Dieses Recht besteht regelmäßig nur bei ausdrücklicher Vereinbarung.

Allein durch ein vertragswidriges Kundenverhalten (Verweigerung der Abnahme, Kundenstorno) verliert der Handelsvertreter seinen Anspruch auf Provision nicht.

Kommt das Unternehmen dem Kunden entgegen und einigt sich über die Stornierung des Vertragsschlusses auf freiwilliger Basis, ohne dass es hierfür einen Rechtsgrund gibt, verliert der Handelsvertreter auch hierdurch seinen Anspruch auf Provision nicht, weil das Unternehmen dann die Nichtausführung des vermittelten Geschäfts zu vertreten hat (§ 87a Abs. 3 HGB).

Durch die Corona-Pandemie ist es aber denkbar, dass Kunden bedingt durch behördlich angeordnete Ladenschließungen und/ oder Absatzschwierigkeiten beim Abverkauf von Saisonware die bestellte Ware nicht oder nicht in vollem Umfang verkaufen können. Insofern können Sie die bestellte Ware nicht so verwenden, wie dies bei der ursprünglichen Bestellung geplant war.

Wenn in solchen Fällen keine vertraglichen Regelungen über den Widerruf der Bestellung oder den Rücktritt vom geschlossenen Vertrag bestehen, können sich solche betroffenen Kunden unter Umständen auf die Unmöglichkeit oder auch die Störung der Geschäftsgrundlage berufen, wenn sie bei Vertragsabschluss von der Corona bedingten wirtschaftlichen und tatsächlichen Verkaufssituation nicht ausgehen konnten.

Insofern kommt es auf die Klärung dieser Voraussetzungen und damit der tatsächlichen Situation bei Bestellung und Abschluss des Vertrages im Einzelfall mit Blick auf das Entfallen von vertraglichen Verpflichtungen oder die mögliche Vertragsanpassung an.

Hiervon abhängig bleibt der Anspruch auf Provision für den Handelsvertreter entweder bestehen, fällt mit dem Ausfall des Geschäftes aus oder ist z.B. bei Teillieferung anzupassen.

Die Voraussetzungen und Folge der Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB haben wir bereits oben beschrieben. Anspruchsvoraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB sind folgende:

  1.  Umstände, die (nicht vertraglich vereinbart, aber) zur Grundlage des Vertrags geworden sind, haben sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert.
  2.  Die Parteien hätten den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten;
  3.  Einem Teil der Vertragsparteien kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden.

Bei Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung kann bei Vorliegen dieser Voraussetzungen die Anpassung des Vertragsverlangt werden.

Ist die Anpassung im Sinne einer Reduzierung der vertraglichen Pflichten nicht zuträglich, besteht auch die Möglichkeit des Rücktritts oder der Kündigung des Vertrages durch den betroffenen Kunden.

Eine schwerwiegende Änderung der Verwendungsmöglichkeiten von Ware, die noch vor Bekanntwerden der Corona-Pandemie bestellt wurde, dürfte anzunehmen sein, weil niemand von einer Krise solchen Ausmaßes und den damit einhergehenden Beschränkungen des Lieferverkehrs und des Warenabsatzes gewusst hat. Insbesondere behördlich angeordnete Ladenschließungen mit der Konsequenz des erschwerten Abverkaufs der bestellten Ware oder gar der Unmöglichkeit des Abverkauf begründen solche schwerwiegenden Umstände.

Ist der Kunde aber nicht unmittelbar von behördlichen Maßnahmen betroffen, etwa weil er einen Onlinehandel betreibt, liegt eine schwerwiegende Veränderung im obigen Sinne nicht zwingend vor.

Ferner kommt es für die Berufung auf die Vertragsanpassung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Ist der Vertrag erst im 1. Quartal 2020 zustande gekommen, so sollte genau geprüft werden, inwieweit schon Kenntnis von den Auswirkungen der Corona-Pandemie bestand. Unter Umständen hat der Vertragspartner darauf gesetzt, trotz der sich abzeichnenden Entwicklung die Ware regulär verwenden zu können. In einem solchen Fall kann er sich nicht darauf berufen, dass er den Vertrag so nicht geschlossen hätte, soweit die Veränderung der Umstände in diesem Zeitpunkt für ihn bereits erkennbar war.

Schließlich kommt es auch grundsätzlich darauf an, wer das Risiko für den Eintritt solcher veränderten Umstände zu tragen hat. Im Allgemeinen trifft den Kunden das Verwendungsrisiko und damit das Risiko des Absatzes seiner Ware. Dass die Ware jedoch gar nicht oder nur zu erheblich reduzierten Preisen und im geringeren Umfang abgesetzt werden können, weil die Corona-Pandemie einen Verkauf im regulären Umfang nicht gestattet, liegt nicht mehr im üblichen Bereich des Risikos, das ein (Händler-)kunde zu tragen hat. Das ist regelmäßig bei unvorhergesehenen Entwicklungen mit unter Umständen existenziellen Folgen für eine Vertragspartei der Fall.

Fazit und Tipps:

Für den Anspruch auf Provision des Handelsvertreters kommt es auf die oben genannten Umstände der Kundenbestellung, des Vertragsschlusses, des Zeitpunktes der Bestellung und des Ausmaßes der Entwicklungen sowie der Ausweichmöglichkeiten beim Warenabsatz des Kunden (z.B. Onlinevertrieb) an. Nach diesen Umständen ist zu prüfen, ob das vertretene Unternehmen entweder die Nichtausführung des Geschäftes zu vertreten hat und deshalb Provision schuldet oder der Kunde sich auf Unmöglichkeit oder die Störung der Geschäftsgrundlage und damit die Anpassung des geschlossenen Vertrages berufen kann.

Eine allgemeingültige Rechtslage besteht nicht, wenngleich das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und auch die gesetzlichen Möglichkeiten zur Vertragsanpassung geeignete Maßnahmen für die Vertragsparteien darstellen, um auch mit nur eingeschränkten Möglichkeiten das Geschäft und damit die Ansprüche auf Provision aufrechtzuerhalten.

Dabei ist nicht zu verkennen, dass dem Handelsvertreter der Ausfall der Provision beruht. Dies kann jedoch durch Verhandlung von Vertragsanpassungen zwischen Unternehmen und Kunden zumindest teilweise gerettet werden können.

Der Unternehmer ist im Falle der Nichtausführung von Geschäften Ansprüchen von Kunden auf Schadensersatz und Ansprüchen des Handelsvertreters auf Provision ausgesetzt. Er ist gut beraten, alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um den ursprünglich geschlossenen Vertrag zu erfüllen und gegebenenfalls Ausweichmöglichkeiten zu prüfen und zu veranlassen, soweit möglich. Gelingt dies nicht, sollte er seine Anstrengungen gut dokumentieren, um belegen zu können, dass die Nichtausführung des Geschäftes von ihm nicht zu vertreten ist. Andernfalls läuft er Gefahr, von Kunde und Handelsvertreter in Anspruch genommen zu werden. Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür, dass er die Ausführung des Geschäftes nicht zu vertreten hat.

Der Handelsvertreter hat einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Nur wenn der Unternehmer beweisen kann, dass er die Nichtausführung des Geschäfts nicht zu vertreten hat, entfällt der Anspruch auf Provision. Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Unternehmer über sämtliche Umstände, die für die Provision relevant sind. Soweit der Handelsvertreter also nicht selbst die Umstände und Ursachen für den Ausfall des provisionspflichtigen Geschäfts kennt, sollte er vom Unternehmer Auskunft verlangen.

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