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Vergütung im Vertrieb

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Ist eine reine Erfolgsvergütung zulässig?

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Vergütung grundsätzlich frei gestalten. Daher ist eine erfolgsabhängige Vergütung auch grundsätzlich zulässig, vorausgesetzt sie verstößt nicht gegen gesetzliche Bestimmungen bzw. ist sittenwidrig.

Die Vereinbarung einer rein erfolgsabhängigen Vergütung (nur Provision ohne Fixum) ist aber regelmäßig unwirksam. Soll nach dem Arbeitsvertrag der angestellte Außendienstmitarbeiter bei Erfolglosigkeit die empfangenen Gehälter ganz oder teilweise wie einen Vorschuss zurückzahlen, so dass ihm nur verdiente Provisionen verbleiben, dann ist diese Vereinbarung wegen Lohnwuchers nichtig.

Inhalt und Umfang von Zielvereinbarungen

Zielvereinbarungen sind zulässig und in der Vertriebspraxis gängig.

Das Verhältnis der festen zu der variablen Vergütung ist grundsätzlich frei vereinbar. Dieser Grundsatz ist allerdings insoweit eingeschränkt, als tarifvertragliche, gesetzliche oder andere Mindestansprüche zu beachten sind. Der Arbeitgeber muss allerdings sicherstellen, dass der Arbeitnehmer unter normalem Einsatz seiner Arbeitskraft mit der variablen Vergütung ein angemessenes Gehalt erzielen kann.

Die Beweislast für die Unmöglichkeit der Erzielung eines angemessenen Gehalts trägt der Arbeitnehmer. Kann ein solcher Beweis geführt werden, ist der Vertrag sittenwidrig und damit nichtig.

Die Vereinbarung einer erfolgsorientierten Vergütung ist für den Arbeitgeber eine Möglichkeit, schwer zu überwachende Vertriebsmitarbeiter zur Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten anzuhalten oder den qualitativen Einsatz der Mitarbeiter zu fördern (Anreizsystem).

Die mögliche Nichtigkeit der variablen Vergütungsvereinbarung wegen unzumutbarer Abwälzung des Unternehmerrisikos hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer eine angemessene übliche Vergütung bzw. die im Rahmenvertrag festgelegte maximal erreichbare Vergütung verlangen kann.

Es gibt sehr unterschiedliche Ziele, die einseitig vorgegeben oder vereinbart werden können. Unterschieden werden Unternehmensziele (strategische Ziele), persönliche Ziele, operative Ziele, Prozessziele, qualitative und quantitative Ziele, kurz-, mittel- und langfristige Ziele und viele mehr.

Die Ziele sollten schriftlich klar definiert werden und sich nach dem SMART-Modell orientieren:

S Spezifisch: Die Ziele müssen klar und eindeutig festgelegt werden und von den Mitarbeitern verstanden werden.
M Messbar: Es können verschiedene Ziele vereinbart oder vorgegeben werden. Unterschieden werden quantitative Ziele (z. B. Umsatzziele) und qualitative Ziele (z.B. Kundenzufriedenheit). Alle Ziele müssen messbar sein, was bei qualitativen Zielen in der Regel schwieriger ist.
A Akzeptiert (erreichbar): Ziele müssen angemessen, attraktiv, abgestimmt und ausführbar sein, damit sie von den Mitarbeitern erreichbar sind und akzeptiert werden können.
R Realistisch: Ziele dürfen die Mitarbeiter nicht überfordern.
T Terminiert: Ziele müssen mit einem Zeitrahmen verbunden sein. Üblicherweise werden Jahresziele vereinbart. Gerade im Einzelhandel werden aber auch nicht selten Monatsziele vorgegeben.

Einführung von erfolgsabhängiger Vergütung im bestehenden Arbeitsverhältnis?

Eine einvernehmliche Änderung bestehender Arbeitsverhältnisse ist grundsätzlich möglich. Einseitig und gegen den Willen des Arbeitnehmers können bestehende Arbeitsverträge mit dem Ziel der Einführung eines Zielbonussystems nicht geändert werden.

Auch eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Einführung eines Zielbonussystems ist nicht erfolgversprechend. Eine Änderungskündigung zum Zweck der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen ist unwirksam. Die Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung wegen schlechter Ertragslage ist zwar bei Existenzgefährdung des Unternehmens möglich, setzt aber voraus, dass sich die Kosten nicht durch andere Rationalisierungsmaßnahmen verringern lassen.

Ein variabler Vergütungsanteil kann u. U. im Arbeitsvertrag ausdrücklich als freiwillige, unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs stehende Leistung des Arbeitgebers ausgestaltet sein. Allerdings ist dieser Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zulässig, wenn die variable Vergütung für Leistungen des Arbeitnehmers gewährt werden soll. Gewährt der Arbeitgeber nicht leistungsbezogene Zahlungen freiwillig, kann er auch die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistungen selbst bestimmen. Er muss dabei aber den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung beachten und seine Entscheidung nach „billigem Ermessen“ treffen. Er darf bestimmte Mitarbeiter nicht ohne wichtigen Grund bevorzugen oder benachteiligen.

Darf der Arbeitgeber Arbeits- oder Umsatzziele in Zielvereinbarungen einseitig vorgeben?

Bei einer Zielvereinbarung werden Arbeits- oder Umsatzziele zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern gemeinsam festlegt. Soweit Ziele einseitig vom Arbeitgeber bestimmt werden, handelt es sich um Zielvorgaben, auf die der Mitarbeiter keinen Einfluss hat.

Die einseitig vorgegebenen Ziele sind für den Arbeitnehmer verbindlich, sofern

  • sie sich innerhalb des Weisungsrechts des Arbeitgebers halten,
  • für den Mitarbeiter nachvollziehbar, erreichbar und nicht unbillig sind.

Zielvorgaben werden zwar ausschließlich vom Arbeitgeber einseitig gesteuert, unterliegen jedoch der gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.

Hingegen vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen einer Zielvereinbarung gemeinsam die zu erreichenden Ziele. Eine Billigkeitskontrolle einer solchen Zielvereinbarung kommt daher nicht in Betracht. Vielmehr kann die Zielvereinbarung frei vereinbart werden, soweit diese

  • hinreichend transparent ist (Transparenzkontrolle § 307 Abs. 3 Satz 2, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und
  • nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Außendienstmitarbeiters führt.

Zielvereinbarungen sind damit erst verbindlich, wenn sie durch Einigung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande gekommen sind.

Expertentipp:

Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen liegen den arbeitsvertraglichen Bedingungen zugrunde und werden sowohl nach der Mitarbeiterposition, als auch nach dem Anwendungsbereich unterschiedlich vom Arbeitgeber eingesetzt.

So werden z. B. dem Verkaufspersonal im Einzelhandel die Verkaufsbudgets „einseitig“ als Ziele vorgeben. Mit dem Management werden qualitative und quantitative Ziele „zweiseitig“ vereinbart, um damit das Unternehmen auf der jeweiligen Managementebene politisch und wirtschaftlich zu steuern.

Welche Rechtsfolge tritt ein, wenn eine Zielvereinbarung nicht zu Stande kommt?

Zielvereinbarungen werden jährlich festgelegt. Probleme entstehen dann, wenn die Zielvereinbarung vor der neuen Zielperiode nicht zustande kommt. Dies kann unterschiedliche Gründe haben. Für die Rechtsfolge bei Nicht-zu-Stande-Kommen einer solchen Zielvereinbarung kommt es zunächst auf den Arbeitsvertrag, sodann auf die jeweilige Verpflichtung zur Führung dieses Zielvereinbarungsgespräch und schließlich auf den Grund des Nicht-zu-Stande-Kommens bzw. des Scheiterns an.

Stillschweigende Aufhebung der Zielvereinbarung

Die Zielvereinbarung kann beispielsweise stillschweigend von Arbeitgeber und Außendienstmitarbeiter aufgehoben werden. Das ist stets eine Frage des Einzelfalls. Allerdings ist eine stillschweigende Aufhebung z.B. dann denkbar, wenn der Außendienstmitarbeiter während mehrerer Zielperioden die vereinbarten Ziele verfehlt hat, neue Zielvereinbarungen nicht geschlossen wurden und weder Arbeitgeber noch Außendienstmitarbeiter dies beanstandet haben.

In der Regel wird von einer stillschweigenden Aufhebung nicht auszugehen sein. Dies zeigt die Praxis.

Anspruch auf Schadensersatz mangels Zielvereinbarung

Liegt keine stillschweigende Aufhebung der Zielvereinbarung vor und führen Arbeitgeber und Außendienstmitarbeiter keine Verhandlungen über eine Zielvereinbarung, obwohl dies der Arbeitsvertrag vorsieht, hat der Arbeitnehmer nach Ablauf der Zielperiode Anspruch auf Schadensersatz, wenn der Arbeitgeber das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat (siehe auch BAG, Urteil vom 12.12.2007 – 10 AZR 97/07).

Im Einzelnen müssen für einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen unterbliebener Zielvereinbarung folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Initiativpflicht zur Gesprächsführung liegt beim Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag oder den Umständen
    Eine Initiativpflicht für das zu führende Zielvereinbarungsgespräch leitet das BAG aus dem Arbeitsvertrag her, wenn danach die Ziele gemeinsam mit dem Mitarbeiter festgelegt werden sollen.
  • Keine ausdrückliche Regelung über die Initiativpflicht
    Lässt sich nach dem Arbeitsvertrag oder aus den Umständen die Initiativpflicht nicht eindeutig bestimmen, wirken sich solche vertraglichen Unklarheiten nach § 305c Abs. 2 BGB regelmäßig zu Lasten des Arbeitgebers aus, soweit der Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber stammt.
  • Verschulden des Arbeitgebers am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung
    Ist der Arbeitgeber zur Führung des Zielvereinbarungsgesprächs mit dem Außendienstmitarbeiter initiativ verpflichtet und hat er ein solches Gespräch nicht in die Wege geleitet, ein solches Gespräch abgebrochen oder verweigert, so hat er eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt, die den Arbeitgeber zum Schadensersatz gegenüber dem Außendienstmitarbeiter verpflichtet.
  • Höhe des Schadensersatzes
    Nach der Rechtsprechung des BAG ist der in der Rahmenvereinbarung oder im Arbeitsvertrag bei Zielerreichung zugesagte Bonus/Zielprämie die Grundlage zur Schadensermittlung bzw. Schadensschätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO. Bei der richterlichen Schätzung können vom Gericht auch Umstände berücksichtigt werden, wonach der Außendienstmitarbeiter in den Vorjahren die vereinbarten Ziele nicht in vollem Umfang erreicht hat.
  • Gemeinsames Verschulden der Arbeitsvertragsparteien am Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung
    Beruht das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung auf Gründen, die der Arbeitgeber und der Außendienstmitarbeiter zu vertreten haben, schließt dies einen Schadensersatzanspruch des Außendienstmitarbeiters wegen der entgangenen Bonuszahlung nicht aus. Allerdings muss der Arbeitgeber entweder durch Mahnung in Verzug gesetzt worden sein oder eine solche Mahnung ist entbehrlich, soweit nach dem Arbeitsvertrag die Zielvereinbarung vor Beginn der Zielperiode abzuschließen ist bzw. für den Abschluss der Zielvereinbarung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist.Trifft auch den Außendienstmitarbeiter ein Verschulden daran, dass die Zielvereinbarung unterblieben ist, ist dessen Mitverschulden angemessen zu berücksichtigen.
  • Keine Ablehnung oder Behinderung der Gespräche durch den Arbeitnehmer
    Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass er für die Zielperiode mit dem Außendienstmitarbeiter gemeinsam erreichbare Ziele festgelegt und diese dem Außendienstmitarbeiter vorgeschlagen hat, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers (siehe auch BAG, Urteil vom 10.12.2008 – 10 AZR 889/07). Dem Außendienstmitarbeiter steht dann wegen des Nichtzustandekommens der Zielvereinbarung kein Schadensersatzanspruch zu.Der Arbeitgeber muss dem Außendienstmitarbeiter im Rahmen seines Angebots Ziele genannt haben, die der Außendienstmitarbeiter hätte erreichen können. Nicht genügend ist, dass der Arbeitgeber Verhandlungen über eine Zielvereinbarung unterlassen hat, weil der Außendienstmitarbeiter die bisher festgelegten Ziele nicht erreicht hat.
  • Beweislast
    Der Außendienstmitarbeiter muss die Pflicht zum Abschluss einer Zielvereinbarung mit dem Arbeitgeber sowie dessen Pflichtverletzung im Rahmen der unterbliebenen Zielvereinbarung nach den o. g. Kriterien nachweisen.Gelingt dem Arbeitgeber jedoch der Nachweis, dass er dem Außendienstmitarbeiter geeignete Ziele zur rechten Zeit (in der Regel vor Beginn der Zielperiode) vorgeschlagen hat, die dieser hätte erreichen können, scheidet ein Schadensersatzanspruch des Außendienstmitarbeiters aus, wenn dieser eine Einladung zum Zielgespräch oder ein Angebot auf Abschluss einer angemessenen Zielvereinbarung – seinerseits pflichtwidrig – nicht annimmt.

Können Ziele oder die Berechnungsmethode für die Ermittlung der Zielerreichung nachträglich geändert werden?

Nach einer Entscheidung des BAG (Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 364/13, Vorinstanz: LAG München) ist eine einseitige nachträgliche Änderung der festgelegten Ziele und der weiteren Zahlungsvoraussetzungen bei variablen Vergütungsbestandteilen mit Zielvereinbarung (nicht bei einseitiger Zielvorgabe) grundsätzlich unzulässig. Dies betrifft auch die Berechnungsmethode. Das gilt natürlich nur dann, wenn die Ziele vertragliche festgeschrieben werden und nicht – wie regelmäßig in der Praxis – Ziele für neue Zieleperioden aufgrund vertraglichen Vorbehalts jeweils neu festgelegt werden sollen.

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