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Testamentsvollstrecker im Prozess und in der Zwangsvollstreckung

Da der Testamentsvollstrecker die Verfügungsbefugnis über den Nachlass besitzt, ist er für Prozesse, die Nachlassgegenstände betreffen, zuständig. Deshalb ist eine seiner Aufgaben Gerichtsprozesse zu führen. Im Rahmen der Prozessführung handelt der Testamentsvollstrecker als Partei kraft Amtes. Er tritt somit nicht als Vertreter der Erben auf, sondern selber als Partei in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker.

Aktivprozesse gegen den Testamentsvollstrecker

Ein Recht, welches der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegt, kann nur vom Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden (§ 2212 BGB). Die Klagebefugnis des Testamentsvollstreckers für Aktivprozesse umfasst zum Beispiel:

  • Leistungsklagen
  • Feststellungsklagen
  • Mahnverfahren
  • Zwangsvollstreckung
  • Rechtsmittelverfahren
  • Aufgebot der Nachlassgläubiger (§ 454 FamFG)
  • Antrag auf Teilungsversteigerung (§ 175 ZVG)
  • Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 317 InsO)
  • Forderungen des Erblassers gegen den Erben (BGH, NJW 1957, 916)
  • In einem Steuerprozess ist der Testamentsvollstrecker dann prozessführungsbefugt, wenn das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für eine Veranlagungszeitraum des Erblassers an den Testamentsvollstrecker richtete (BFH, BB 2003, 2498).

Der Testamentsvollstrecker hat dagegen keine Klagebefugnis in folgenden Angelegenheiten:

  • Erbrecht nach dem Erblasser als solches: Wer Erbe geworden ist, müssen die Erben entweder im Rahmen eines Erbscheinverfahrens oder im Rahmen einer Erbfeststellungsklage selbst klären. Ausnahmsweise ist der Testamentsvollstrecker bezüglich des Erbrechts klagebefugt, wenn Unklarheiten hierüber zu seiner Haftung führen können (BGH, NJW-RR 1987, 1090).
  • Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid, wenn dieser gegenüber den Erben ergangen ist. Der Testamentsvollstrecker muss sich daher seitens der Erben eine Vollmacht erteilen, damit er Einspruch einlegen kann. Wurde hingegen im Bescheid der Testamentsvollstrecker als zahlungspflichtig bezeichnet, kann er selbst Einspruch einlegen.
  • Rechtstreitigkeiten gegen den Testamentsvollstrecker selbst, wenn er sich z.B. gegenüber den Erben schadensersatzpflichtig gemacht hat.

Der Testamentsvollstrecker muss im Rubrum der Klage seine Parteirolle als Testamentsvollstrecker klarstellen, indem er beispielsweise formuliert: „Klage des . . . . . . als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des . . . . . ., verstorben am . . . . . ., gegen . . . . . .“

Da der Testamentsvollstrecker im Prozess Partei ist, kann er nicht als Zeuge, sondern nur im Wege der Parteianhörung oder Parteieinvernahme (§§ 445 ff. ZPO) vernommen werden. Die Erben können hingegen Zeugen sein.

Möchte ein Testamentsvollstrecker den Aktivprozess nicht selbst führen, kann er unter gewissen Voraussetzungen den prozesswilligen Erben ermächtigen, im eigenen Namen zu klagen. Erforderlich für eine derartige gewillkürte Prozessstandschaft ist, dass der Erbe ein schutzwürdiges Interesse hat (Soergel/Damrau, § 2212, Rn. 3). Der Klageantrag muss aber auf Leistung an den Testamentsvollstrecker gerichtet sein, weil dieser den Nachlass zu verwalten hat. Das Kostenrisiko trägt dabei der klagende Erbe, nicht also der Nachlass.

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Hatte der Erblasser eine Rechtsschutzversicherung und muss der Testamentsvollstrecker einen Aktivprozess erheben, so wird der Versicherungsanspruch mitvererbt und der Testamentsvollstrecker ist eine „mitversicherte Person“ i.S.d. § 4 ARB (LG Karlsruhe, r+s 2000, 506).

Passivprozesse des Testamentsvollstreckers für den Nachlass

Passivprozesse sind gerichtliche Verfahren, bei denen Gläubiger Ansprüche gegen den Nachlass geltend machen. Sofern der Nachlass der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegt, hat der Nachlassgläubiger verschiedene Möglichkeiten:

  • Er kann gegen den Erben auf Zahlung klagen; allein mit diesem Urteil kann der Gläubiger aber nicht in den Nachlass vollstrecken, weil dieser vom Testamentsvollstrecker verwaltet wird. Zur Vollstreckung ist deshalb ein zusätzlicher Titel gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung notwendig. Ein rechtskräftiges Urteil gegen den Erben wirkt nicht automatisch gegen den Testamentsvollstrecker.
  • Der Nachlassgläubiger kann den Testamentsvollstrecker auf Zahlung verklagen und mit einem rechtskräftigen Titel in den Nachlass vollstrecken (§ 748 Abs. 1 ZPO). Ein Urteil im Prozess gegen den Testamentsvollstrecker wirkt für und gegen den Erben (§ 327 Abs. 2 ZPO).

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

In der Praxis ist es empfehlenswert, die beiden vorgenannten Möglichkeiten, also eine Klage gegen den Testamentsvollstrecker und gegen den Erben zu kombinieren, weil eine getrennte Prozessführung nur zusätzliche Probleme und Kosten bringt.

Pflichtteilsrechte und Testamentsvollstreckung

Der Pflichtteilsberechtigte muss ausschließlich den Erben auf Auskunft über den Nachlass (§ 2314 BGB), gegebenenfalls eidesstattliche Versicherung (§ 260 Abs. 2 BGB) und Zahlung in Form einer Stufenklage (§ 254 ZPO) verklagen. Will der Pflichtteilsberechtigte nach Rechtskraft des Urteils in das Vermögen des Erben vollstrecken, das der Testamentsvollstrecker verwaltet, so muss er zusätzlich den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung verklagen (§ 2213 Abs. 3 BGB; § 748 Abs. 3 ZPO). Der Testamentsvollstrecker kann aber auch ohne Vorlage eines Duldungstitels freiwillig an den Pflichtteilsberechtigten zahlen.

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Will der überlebende Ehegatte gem. § 1371 Abs. 2 BGB seinen Zugewinnausgleichsanspruch durchsetzen, ist hierfür der Testamentsvollstrecker zuständig und kann deshalb vor dem Familiengericht auf Zahlung verklagt werden.

Zwangsvollstreckung und Testamentsvollstreckung

Wer einen Titel gegen den Erblasser, Erben oder Testamentsvollstrecker erwirkt hat, muss im Falle von Vollstreckungen wie folgt differenzieren:

  • Liegt ein Titel gegen den Erblasser vor und hat die Zwangsvollstreckung bereits begonnen, wird diese gegen den Testamentsvollstrecker fortgesetzt (§ 779 Absatz 1 Zivilprozessordnung).
  • Liegt ein Titel gegen den Erblasser vor, hat jedoch noch keine Zwangsvollstreckung begonnen, ist der Titel auf den Testamentsvollstrecker umzuschreiben (§§ 749, 727 Zivilprozessordnung).
  • Liegt ein Titel gegen den Testamentsvollstrecker vor, kann mit diesem Titel in den Nachlass vollstreckt werden (§ 748 Absatz 1 Zivilprozessordnung).
  • Liegt ein Titel gegen den Erben vor, kann in das private Vermögen des Erben vollstreckt werden, nicht jedoch in das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen (§ 748 Absatz 1 Zivilprozessordnung).
  • Liegt ein Titel gegen den Erben auf Leistung und ein Titel gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung vor, kann in das private, nicht ererbte Vermögen des Erben ebenso vollstreckt werden, wie in das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen.

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Um eine Vollstreckung sowohl in die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Gegenstände zu ermöglichen, als auch in das eigene, nicht ererbte Vermögen eines Erben, empfiehlt es sich den Erben und den Testamentsvollstrecker gemeinsam zu verklagen.

Persönliche Prozesse des Testamentsvollstreckers

Geht es nicht um die Nachlassverwaltung im weiteren Sinne, sondern um Angelegenheiten, die den Testamentsvollstrecker persönlich betreffen, ist eine Klage direkt gegen den Testamentsvollstrecker als Privatperson zulässig. Dies ist beispielsweise bei Klagen der Fall, die eine Schadensersatzpflicht des Testamentsvollstreckers oder seine Vergütung betreffen.

Prozesskosten

Hat ein Testamentsvollstrecker einen Prozess verloren, kann er die ihm auferlegten Prozesskosten dem Nachlass entnehmen, sofern er das Verfahren unter Anwendung gewissenhafter Sorgfalt führen durfte (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2005, 452). Bei völlig unsinnigen Prozessen darf der Testamentsvollstrecker die Kosten dem Nachlass nicht entnehmen, weil er diese sofort wieder in Form eines Schadensersatzes (§ 2219 BGB) in den Nachlass zurückzahlen müsste.

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