Vertriebsleiter, Handelsvertreter, Buchauszug
Vertriebsleiter, der vorwiegend Vertriebsmitarbeiter für Unternehmen anstellt und leitet, kann Handelsvertreter sein und Anspruch auf einen Buchauszug haben
Ein Handelsvertreter kann nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 31.3.2015 – I-16 U 70/14) auch ein Vertriebsleiter sein, der in erster Linie damit beauftragt war, Vertriebsmitarbeiter für die Beklagte anzustellen und zu leiten und nicht unmittelbar selbst Geschäfte vermitteln sollte.
Zudem sind Kontrollrechte eines Handelsvertreters, insbesondere der Anspruch auf Buchauszug nach § 87c HGB, jedenfalls nicht schon aus dem Grund ausgeschlossen, weil der Handelsvertreter Provisionsabrechnungen erhalten hat und während der Vertragslaufzeit in die Bücher des Unternehmers Einsicht nehmen konnte.
Die Vereinbarung einer Umsatzbeteiligung steht den Kontroll- und Informationsrechten des Handelsvertreters gemäß § 87 c HGB nicht entgegen. Diese sind Neben- bzw. Hilfsrechte zu dem Anspruch auf Zahlung der Provision gemäß § 87 HGB, die einen möglichen Anspruch auf Provision voraussetzen. Darunter fallen auch Bezirksprovisionen.
Der Fall
Der Kläger hat mit der Beklagten einen Vertrag als „selbstständiger“ Vertriebsleiter mit der Bezeichnung „Vertriebsleitung im Sinne eines Handelsvertreters“ vereinbart. Danach ist ihm die Stellung eines Handelsvertreters in der Funktion des Vertriebsleiters und die Vertretung des Unternehmers übertragen worden. Er hat nach der Vereinbarung im gesamten Tätigkeitsgebiet den vorhandenen Kundenstamm übernommen, war mit der Leitung des vorhandenen Vertriebspersonals beauftragt und hat Mitarbeiter eingestellt und geführt sowie u. a. Arbeits- und Lizenzverträge für die Beklagte geschlossen. Ferner war er beauftragt, Verkaufsgeschäfte und andere Geschäfte für die Beklagte zu vermitteln. Als Vergütung war eine Umsatzbeteiligung zzgl. MWSt. für alle Geschäfte vereinbart, die die Beklagte während des Bestehens des Vertragsverhältnisses abschloss.
Der Kläger übte für die Beklagte die Vertriebsleitertätigkeit vertragsgemäß aus und stellte über die Beklagte Vertriebsmitarbeiter ein und leitete diese. Selbst vermittelte er keine Geschäfte für die Beklagte. Kundenkontakt hatten die von ihm geleiteten Mitarbeiter der Beklagten. Er selbst war nur in Ausnahmefällen und dann in Begleitung eines Vertriebsmitarbeiters beim Kunden. Nach der Vereinbarung mit der Beklagten fand sich der Kläger jeweils montags in den Geschäftsräumen ein, um der Geschäftsleitung für Fragen zur Verfügung zu stehen. Die monatlichen Provisionsabrechnungen ließ der Kläger zunächst unbeanstandet.
Es kam zum Streit über die erfolgten und später vom Kläger beanstandeten Provisionsabrechnungen. Die Beklagte kündigte den Vertrag fristlos. Der Kläger hat die fristlose Kündigung als unwirksam zurückgewiesen und ausstehende Provision sowie einen Buchauszug gefordert. Die Beklagte hat bestritten, dass es sich bei dem geschlossenen Vertrag um einen Handelsvertretervertrag handelt und dass ihm daher kein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges zusteht. Der Kläger hat daraufhin Stufenklage erhoben und in der ersten Stufe einen Buchauszug von der Beklagten verlangt.
Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die von dem Kläger begehrten Auskünfte zu erteilen. Mit der Berufung war die Beklagten nicht erfolgreich.
Vertriebsleiter als Handelsvertreter
Nach der Entscheidung des Gerichts wurde zwischen den Parteien ein Handelsvertretervertrag vereinbart.
Handelsvertreter ist, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, §°84 S.1 HGB.
Der Kläger war während seiner Vertriebstätigkeit für die Beklagte selbstständiger Gewerbetreibender. Insbesondere konnte er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen, trotz der Pflicht, zumindest montags in den Geschäftsräumen der Beklagten anwesend zu sein. Zeitliche, örtliche oder inhaltliche Vorgaben, die gegen die Selbstständigkeit gesprochen hätten, bestanden nicht. Die Anwesenheitspflicht war lediglich zur Ermöglichung einer Rücksprache vereinbart. Die Bezeichnung als „Vertriebsleiter“ hat das Gericht als unschädlich angesehen.
Mitursächliche Förderung von Geschäftsabschlüssen durch Anstellung und Leitung von Vertriebsmitarbeitern
Entscheidend für die Zuordnung als Handelsvertreter war für das Gericht, dass der Kläger nach dem Vertrag ständig damit betraut war, für die Beklagte Geschäfte zu vermitteln. Dem stand nicht entgegen, dass der Kläger in erster Linie als Vertriebsleiter Vertriebsmitarbeiter der Beklagten angestellt und geleitet sowie nicht selbst unmittelbar Geschäfte vermittelt hat. Für die Vermittlungstätigkeit eines Handelsvertreters genügt vielmehr die Förderung des Abschlusses durch bloße Mitursächlichkeit, es sei denn, diese ist nebensächlich. Eine persönliche Tätigkeit des Handelsvertreters oder eine unmittelbare Beteiligung ist daher regelmäßig nicht erforderlich. Die Vermittlungstätigkeit der Angestellten oder Untervertreter hat ihm das Gericht als Mitverursacher zugerechnet.
Schon nach Auffassung des BGH kann derjenige, der ein Vertriebssystem aufbaut oder führt, als Vertriebs- oder Strukturleiter zugleich als Handelsvertreter tätig sein und einen Provisionsanspruch durch Herbeiführung dieser Kundengeschäfte erwerben (BGH Urt. v. 26.09.2013, BGH VII ZR 227/12). Auch ein Hauptvertreter, der Untervertreter einschaltet, oder ein Generalvertreter oder Verkaufsleiter, der nur Untervertreter einstellt oder betreut, ist Handelsvertreter nach § 84 HGB. Es macht daher keinen Unterschied, wenn der Unternehmer dem Handelsvertreter gegen Provision die Aufgabe überträgt, die angestellten Reisenden anzuleiten, zu überwachen und/oder sich in deren Vermittlung von Geschäften einzuschalten.
Im zu entscheidenden Fall hat der Kläger nach den Feststellungen des Gerichts als Vertriebsleiter mittelbar den Abschluss von Geschäften gefördert, indem er als selbstständiger Gewerbetreibender Vertriebsmitarbeiter für die Beklagte angestellt und geleitet hat.
Vertriebsleiter hat Anspruch auf Buchauszug infolge Provisionsvereinbarung
Die Vergütung aufgrund einer Umsatzbeteiligung schließt den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nicht aus, weil die Kontroll- und Informationsrechte gemäß § 87c HGB Hilfsrechte zu dem Anspruch auf Zahlung der Provision sind und einen möglichen Anspruch auf Provision voraussetzen. Zu solchen Provisionen zählen auch Bezirksprovisionen, wie im vorliegenden Fall.
Denn die nach dem Vertrages erzielten Umsätze sind zumindest mittelbar durch die Tätigkeit des Klägers veranlasst worden, da diese von den Vertriebsmitarbeitern generiert worden sind, die der Kläger für die Beklagte angestellt und geleitet hat. Das Gericht hat darin keine für den Erfolg der Vertriebsbemühungen des Klägers von seiner Vertriebstätigkeit völlig losgelöste Tantieme anerkannt.
Kein Ausschluss der Provision durch abweichende mündliche Vereinbarung, Schriftformklausel
Die von der Beklagten behauptete mündliche Vereinbarung, dass bestimmte Geschäfte entgegen der schriftlichen Vereinbarung nicht provisioniert werden sollten, hat das Gericht wegen der vertraglich zulässig vereinbarten Schriftform für Änderungen des Vertrages nicht gelten lassen. Die vereinbarte Schriftform war dadurch gesichert, dass auch die Änderung der Schriftformklausel der Schriftform bedarf. Insofern war eine mündliche Änderung nach §°125 Satz 2 BGB wirksam ausgeschlossen.
Zwar haben Individualabreden stets Vorrang. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich aber bei der Schriftformklausel um eine solche Individualvereinbarung, weil die Beklagte zumindest die reale Möglichkeit erhalten hat, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können. Dies, weil die Beklagte den vom Kläger vorbereiteten Vertragsentwurf eingehend geprüft, sowie Änderungen vorgenommen hat und der Kerngehalt der Vertragsklauseln daher inhaltlich ernsthaft zur Disposition stand.
Kein Ausschluss des Buchauszugs wegen Einverständnis mit Provisionsabrechnungen und Einblick in die Bücher
Die Beklagte war der Meinung, dass der Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Buchauszuges rechtsmissbräuchlich sei, weil dieser mit den erhaltenen Provisionsabrechnungen einverstanden gewesen sei Einblick in die Bücher der Beklagten gehabt hätte. Dem ist das Gericht nicht gefolgt.
Nur ausnahmsweise und wenn der Unternehmer nachweist, dass der Handelsvertreter aus Schikane handelt und tatsächlich auf Buchauszug und Bucheinsicht zur Wahrung seiner Rechte bei objektiver Wertung nicht angewiesen ist, kann das Verlangen nach einem Buchauszug rechtsmissbräuchlich sein. Das ist aber nicht der Fall, wenn der Handelsvertreter im Besitz vollständiger Abrechnungen mit Abrechnungsunterlagen ist. Vielmehr hat der Handelsvertreter zusätzlich zu der ordnungsgemäßen Provisionsabrechnung den Anspruch auf Buchauszug und Bucheinsicht. Deswegen ist das Recht auf Buchauszug auch trotz der Möglichkeit der Einsichtnahme in die Bücher des Unternehmers nicht rechtsmissbräuchlich. Das wäre lediglich dann anders zu beurteilen, wenn der Handelsvertreter bereits Kenntnis aller in einem Buchauszug gehörenden Angaben hat und über eine übersichtliche und geordnete Aufstellung hierüber verfügt. Auch das war vorliegend nicht der Fall.
Die Rechte nach § 87 c HGB sind erst bei einer endgültigen und abschließenden Einigung über bestimmte Zahlungsansprüche des Handelsvertreters oder bei deren einvernehmlicher Abrechnung ausgeschlossen. Hierzu sind rechtsverbindliche Willenserklärungen über eine Einigung erforderlich, wonach dem Handelsvertreter für bestimmte Zeitabschnitte oder eine bestimmte Art von Kundengeschäften eine, gegebenenfalls auch nur über einen bestimmten Betrag hinausgehende Provision endgültig nicht mehr zusteht. Er muss damit zugleich auf möglicherweise bestehende Ansprüche in rechtlich wirksamer und verbindlicher Weise verzichtet haben. Die bloße Einigung auf die Richtigkeit einzelner Provisionsabrechnungen oder deren Genehmigung durch den Handelsvertreter genügen hierfür nicht.