Unverbindliche Wettbewerbsklausel – unbestimmte Karenzentschädigung – Vertriebsmanager
Wettbewerbsklausel, die Karenzentschädigung ohne Mindesthöhe in das Ermessen des Arbeitgebers stellt, ist unverbindlich.
In Arbeitsverträgen von Vertriebsmanagern im Führungsbereich von Unternehmen sind nicht selten Wettbewerbsklauseln enthalten, mit denen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot festgelegt wird.
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot schränkt die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers durch Untersagung der Konkurrenz für eine bestimmte Zeit (max. 2 Jahre) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein. Als Ausgleich dafür muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine sog. Karenzentschädigung bezahlen, die mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt. Liegt die vertraglich zugesagte Karenzentschädigung unter diesem gesetzlichen Mindestbetrag, dann ist das Wettbewerbsverbot unverbindlich. Unverbindlichkeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer ein zu Beginn der Karenzzeit auszuübendes Wahlrecht hat, wonach das Wettbewerbsverbot beachtet und hierfür eine Karenzentschädigung bezahlt werden muss oder das Wettbewerbsverbot nicht zu beachten ist. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem Urteil (BAG, Urteil vom 15.01.2014, 10 AZR 243/13) mit einem solchen unverbindlichen Wettbewerbsverbot auseinanderzusetzen.
Rechtsanwalt Achim Voigt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München erläutert dieses Urteil und worauf es nach der Rechtsprechung bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ankommt.
Sachverhalt
Die Arbeitsvertragsparteien in dem zu entscheidenden Rechtsstreit haben über die Zahlung einer Karenzentschädigung gestritten. Der Kläger war bei dem Beklagten als Exportvertriebsmitarbeiter angestellt. Mit dem Anstellungsvertrag ist eine Wettbewerbsklausel mit folgendem Inhalt geschlossen worden:“… (1) Der Mitarbeiter verpflichtet sich, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von 2 Jahren für kein Konkurrenzunternehmen selbstständig oder unselbstständig tätig zu werden. (2) Die Firma verpflichtet sich, dem Mitarbeiter für die Dauer des Wettbewerbsverbotes eine Entschädigung zu zahlen, die in ihr Ermessen gestellt wird. Die Karenzentschädigung ist fällig am Ende eines jeden Monats. ….“
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. August 2010. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 31. August 2010, er werde sich an das vertragliche Wettbewerbsverbot halten. Der Beklagte hat den Arbeitsvertrag angefochten und im Übrigen vorgetragen, das Wettbewerbsverbot sei unbestimmt und nichtig, in jedem Fall aber unverbindlich. Vorsorglich hat er die Ermessensausübung vorgenommen und wegen geringer Umsätze des Klägers eine Karenzentschädigung von 20 % des letzten Entgelts für angemessen gehalten.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Entschädigungsregelung nicht nichtig sondern nur unverbindlich sei und er sich für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes entschieden habe. Die festgesetzte Höhe der Karenzentschädigung sei aber zu niedrig und hat die Differenz mit der Klage eingefordert.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten ist nach der Entscheidung des BAG unbegründet.
Urteilsbegründung
Das in § 15 des Arbeitsvertrags vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist wirksam, aber für den Kläger unverbindlich nach §§ 74 ff. HGB, so dass er sich für dessen Einhaltung entscheiden konnte.
Unterscheidung Nichtigkeit und Unverbindlichkeit und Wettbewerbsverboten
Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, sind nach ständiger Rechtsprechung nichtig. Arbeitnehmer oder Arbeitgeber können aus einer solchen Abrede keine Rechte herleiten. Wettbewerbsverbote ohne eine der Höhe nach ausreichende Entschädigungszusage sind zwar „unverbindlich“. Wird überhaupt keine Karenzentschädigung vereinbart, ist das Wettbewerbsverbot hingegen nichtig, weil sich daraus überhaupt keine Zahlungsansprüche herleiten lassen.
Die Parteien des Rechtsstreits haben hier einen Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung vereinbart. Dass ihre Höhe in das Ermessen des Beklagten gestellt wurde, bedeutet nach der Auslegung des Arbeitsvertrages durch das Gericht nicht, dass keine Entschädigung zugesagt wurde.
Insbesondere verlangt das Schriftformgebot nicht, dass die Karenzentschädigung der Höhe nach bereits festgelegt wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass der wesentliche Inhalt des der Schriftform unterliegenden Rechtsgeschäfts sich aus der Urkunde ergibt. Das ist hier der Fall.
Unverbindlichkeit wegen unklarer Entschädigungshöhe
Das vereinbarte Wettbewerbsverbot war für den Kläger lediglich unverbindlich, da aus ihm nicht klar erkennbar war, dass die Mindesthöhe der Entschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB erreicht wird.
Ist in einem Wettbewerbsverbot eine gegenüber der Vorgabe des § 74 Abs. 2 HGB zu niedrige Karenzentschädigung vereinbart, ist dieses nicht nichtig, sondern lediglich unverbindlich. In der Folge kann sich der Arbeitnehmer entscheiden, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält. Unverbindlichkeit tritt aber auch ein, wenn aus dem Wettbewerbsverbot selbst unklar bleibt, ob die gesetzliche Entschädigungshöhe erreicht wird. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nämlich nicht bereits bei Abschluss des Wettbewerbsverbots beurteilen, ob ihm eine Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zugesagt ist und er sich des Wettbewerbs zwingend enthalten muss.
Ein solcher Fall der Ungewissheit über die Höhe der Entschädigung liegt in dem zu entscheidenden Fall vor.
Erklärung des Vertriebsmanagers auf Einhaltung des Wettbewerbsverbotes
Der Anspruch des Vertriebsmanagers auf die Karenzentschädigung aus dem unverbindlichen Wettbewerbsverbot setzt voraus, dass er sich zu Beginn der Karenzzeit für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots entscheidet. Das ist hier rechtzeitig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt.
Lossagung des Arbeitgebers nur aus wichtigem Grunde
Der beklagte Arbeitgeber hat sich im vorliegenden Fall nicht wirksam in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB vom Wettbewerbsverbot losgesagt. Zwar besteht diese Möglichkeit binnen eines Monats, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt hat oder die Parteien aus gleichem Grund das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst haben. Gleiches gilt, wenn zwar nur eine ordentliche Kündigung erklärt wurde, aber für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass diese nur das mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung darstellt.
Mit einer Erklärung nach § 75 Abs. 1 HGB sollen alle beiderseitigen Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsvereinbarung wegfallen. Will sich ein Arbeitgeber in dieser Weise von der vereinbarten Konkurrenzklausel lossagen, muss er klar zum Ausdruck bringen, dass er nicht nur selbst keine Karenzentschädigung zahlen, sondern auch den Arbeitnehmer von dessen Unterlassungspflicht entbinden will.
Die hier von dem beklagten Arbeitgeber ausgesprochene ordentliche Kündigung aus „betriebswirtschaftlichen Gründen“ genügt den Anforderungen an die Lossagung nicht. Auch die von der Beklagten erklärte Anfechtung des Arbeitsvertrages konnte mangels Anfechtungsgrund den Vertrag und damit die Wettbewerbsabrede nicht beenden.
Mindesthöhe der Karenz
Schließlich hat das BAG auch die vom Arbeitgeber festgelegte Karenzhöhe beanstandet, denn diese entsprach schon wegen Nichtbeachtung der gesetzgeberischen Entscheidung des § 74 Abs. 2 HGB zu, wonach die Entschädigung mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreichen muss, nicht „billigem Ermessen“.
Aus diesen Gründen stand dem Kläger aus § 15 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags i.V.m. § 74 Abs. 2 HGB, § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BGB ein Anspruch auf eine Karenzentschädigung i.H.v. 50 % seiner zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu.