Pflichtteilsentziehung und Verzeihung
Die Testierfreiheit ist ein hohes Gut. Davon umfasst ist auch die Möglichkeit des Erblassers auch engste Familienangehörige und Ehepartner von der Erbfolge auszuschließen. Der Pflichtteilsanspruch ist dabei eine Mindestteilhabe eines eng abgesteckten Personenkreises am Nachlass des Erblassers. Diese werden zwar nicht Erben, sie haben jedoch einen finanziellen Ausgleichanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbrechts. Diese Mindestteilhabe kann grundsätzlich auch nicht dadurch umgangen werden, dass kurz vor dem Tod das Vermögen verschenkt wird.
Pflichtteilsentziehung nur in Ausnahmefällen
Nur in wenigen Ausnahmefällen kann selbst diese Mindestteilhabe ausgeschlossen werden, indem selbst der Pflichtteil entzogen wird. Dies ist allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Diese sind abschließend in § 2333 Abs. 1 BGB aufgeführt:
- Der Pflichtteilsberechtigte trachtet dem Erblasser oder einer dem Erblasser nahestehenden Person nach dem Leben
- Der Pflichtteilsberechtigte macht sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder gegen einer ihm nahestehenden Person schuldig
- Der Pflichtteilsberechtigte verletzt eine ihm gegenüber dem Erblasser obliegende Unterhaltspflicht böswillig
- Der Pflichtteilsberechtigte wird wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt und die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten ist dem Erblasser deswegen unzumutbar. Dasselbe gilt, wenn statt einer Gefängnisstrafe eine Unterbringung angeordnet wird
Der Erblasser muss in seiner letztwilligen Verfügung die Pflichtteilsentziehung anordnen und einen der genannten Gründe hierfür anführen. Es reicht allerdings aus, wenn erkennbar ist, auf welchen Lebenssachverhalt der Erblasser die Entziehung stützt.
Wann liegt ein „Verzeihen“ des Erblassers vor
Das Recht zur Pflichtteilsentziehung erlischt und auch eine bereits ausgeübte Pflichtteilsentziehung wird unwirksam, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten gem. § 2337 BGB verziehen hat. In einer interessanten Entscheidung hat sich das OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.01.2019 – 19 U 80/18, mit der Frage auseinandergesetzt, was für Anforderungen an das Vorliegen einer Verzeihung zu stellen sind.
Für eine Verzeihung muss der Erblasser zu erkennen geben, dass er die Kränkung, welche der Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufen hat, nicht mehr empfindet. Die Verzeihung muss nicht schriftlich festgehalten werden. Es reicht hierbei auch ein tatsächliches Verhalten aufgrund dessen auf eine Verzeihung geschlossen werden kann. In der Praxis ist oftmals die Nachweisführung schwierig, da der Erblasser sich naturgemäß nicht mehr hinsichtlich der Verzeihung äußern kann.
Erwartet wird im Übrigen auch kein Versöhnungsakt oder ähnliches. Es reicht aus, dass sich das Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem eigentlich Pflichtteilsberechtigten wieder normalisiert. Keine Verzeihung liegt allerdings dann vor, wenn auf Seiten des Erblassers Gleichgültigkeit eingetreten ist, da er irgendwie zum Ausdruck bringen muss, dass das zurückliegende Vergehen keinen Anlass mehr für die Entziehung darstellt. Eine konkludente Verzeihung darf auch nicht vorschnell angenommen werden, da sonst die hohen Hürden für eine Pflichtteilsentziehung wieder entwertet würden.
Verzeihung durch Einzug in das Haus des Erblassers
Im konkreten Fall hat sich der der Kläger darauf gestützt, dass eine Verzeihung darin gesehen werden kann, dass er vor dessen Tod in das Haus des Erblassers einzog. Das Gericht stellt in seinem Urteil klar, dass ein Einzug alleine nicht ausreicht, um eine Verzeihung zu begründen. Es muss dargelegt werden, auf welchen Zeitraum sich das Zusammenleben erstreckt und ob beispielweise Miete gezahlt wurde. Zudem muss der persönliche Kontakt in diesem Zeitraum dargelegt werden. Nur wenn dieser Kontakt eine Rückkehr zur Normalität darstellt, kann von einer Verzeihung ausgegangen werden.