Geschäftsgeheimnisgesetz und Auswirkungen auf den Vertrieb
Geschäftsgeheimnisse in Vertriebsverträgen schützen
Am 26.4.2019 ist das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Geschäftsgeheimnisgesetz – GeschGehG) in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wird der Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung geregelt. Unternehmen sollen zudem ihre Geschäftsgeheimnisse besser durchsetzen können.
Die alten Standardklauseln zur Verschwiegenheit, die sich regelmäßig in Standardverträgen finden lassn, schützen nicht. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne des GeschGehG sind dort nicht genannt und müssen ermittelt, ergriffen und bezeichnet werden, um einen wirksamen Schutz der Geschäftsgeheimnisse zu begründen. Geschäftsführer stehen hier in der haftungsrelevanten Pflicht, Schaden von der Gesellschaft durch Verletzung des Geschäftsgeheimnisschutzes abzuwenden.
Was ist ein Geschäftsgeheimnis?
Bislang war der Begriff „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ nicht gesetzlich definiert. Vielmehr war nach dem bisherigen § 17 UWG jede Information geschützt, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stand, nicht offenkundig war und nach dem erkennbaren Willen des Betriebsinhabers, der auf einem berechtigten wirtschaftlichen Interesse beruhen musste, geheim gehalten werden sollte.
Nach § 2 GeschGehG stellt eine Information nur dann ein Geschäftsgeheimnis dar, wenn sie
- geheim und daher von wirtschaftlichem Wert ist,
- Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und
- ein berechtigtes Interesse an ihrer Geheimhaltung besteht.
Wichtig!
Damit genügt nicht mehr ein erkennbarer Geheimhaltungswille des Unternehmens. Geheimhaltungsmaßnahmen sind daher nicht nur notwendig, um den Verlust von Geschäftsgeheimnissen zu verhindern. Soweit keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen werden, liegt kein Geschäftsgeheimnis vor. Damit besteht kein Schutz nach dem GeschGehG.
Was sind angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen?
Für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen sind die Umstände des Einzelfalls zu beachten. Je wichtiger ein Geschäftsgeheimnis für das Unternehmen ist, desto strengere Schutzmaßnahmen sollten getroffen werden, damit diese angemessen sind. Die Geheimhaltungsmaßnahmen und der damit verbundene Aufwand müssen in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses stehen. Als nicht unwesentlich für die Angemessenheit von Geheimhaltungsmaßnahmen dürfte der Abschluss von Geheimhaltungsvereinbarungen mit Geschäfts- und Vertriebspartnern und nicht zuletzt auch mit den Arbeitnehmern angesehen werden, zumindest die Einbindung von geeigneten Vertragsklauseln in die Grundverträge.
Zudem sollten Informationen je nach Bedeutung und Wert für das Unternehmen in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, so z. B.
- zentrales Geschäfts-Know-how
- strategisch wichtige Informationen
- sonstige sensible Informationen
Für die unterschiedlichen Kategorien sollten Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen (z. B. passwortgeschützter Zugang, Zuständigkeiten, Schulung) eingerichtet und dokumentiert werden. Solche Schutzmaßnahmen unterliegen in der Regel dem Datenschutzrecht (s.a. Art 32 DSGVO) und sollten daher koordiniert werden.
Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs soll sich die Angemessenheit der Maßnahmen
- nach dem Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten,
- der Natur der Information,
- der wirtschaftlichen Bedeutung für das Unternehmen,
- der Größe des Unternehmens,
- den üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen in dem Unternehmen,
- der Art der Kennzeichnung der Information und
- den vereinbarten vertraglichen Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern
richten.
Ansprüche bei Geheimnisverletzung
Betroffene Unternehmen haben grundsätzlich Ansprüche auf
- Schadensersat,
- Unterlassung
- Auskunft
- Vernichtung verletzender Produkte
- Herausgabe
- Rückruf sowie
- dauerhafte Entfernung der verletzenden Produkte aus dem Markt.
Ausnahmen vom Geheimnisschutz
Nach dem GeschGehG bestehen auch Ausnahmen, bei deren Vorliegen die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses nicht verboten ist.
- Hinweisgeber („Whistleblower“) sollen keine Konsequenzen befürchten müssen, wenn die Preisgabe des Geschäftsgeheimnisses zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhalten“ erfolgt und dies geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Allerdings ist für den Whistleblower Vorsicht geboten, weil er bei fehlerhafter Einschätzung der Situation dem Geheimnisinhaber zum Schadensersatz verpflichtet sein kann.
- Arbeitnehmern ist die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gegenüber dem Betriebsrat erlaubt, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist.
- Die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geheimnisses sind nicht verboten, wenn sich die das Geschäftsgeheimnis offenlegende Person auf das Recht zur freien Meinungsäußerung, der Informationsfreiheit oder auf die Pressefreiheit berufen kann.
- Die Entschlüsselung von Geschäftsgeheimnissen aus Produkten selbst ist durch Beobachten, Untersuchen, Rückbauen oder Testen eines Produkts, das sogenannte „Reverse Engineering“ erlaubt.
Schutz von Geheimnissen im Rahmen von Vertriebsverträgen
Handelsvertreter und solche Absatzmittler, die wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation des Unternehmers eingebunden werden (z.B, Kommissionsagenten, Vertragshändler und Franchisenehmer), sind während des Vertragsverhältnisses schon aufgrund der Interessenwahrnehmungspflicht, aber auch danach gemäß § 90 HGB zur Geheimhaltung der anvertrauten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Unternehmers verpflichtet.
§ 90 HGB [Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse]
Der Handelsvertreter darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die ihm anvertraut oder als solche durch seine Tätigkeit für den Unternehmer bekanntgeworden sind, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde.
Zwar ändert sich an dieser Rechtslage durch das GeschGehG nichts unmittelbar. Aber es steht zu befürchten, dass die Definition des Geschäftsgeheimnisses nach dem GeschGehG auch im Vertriebsrecht relevant wird. Dann allerdings wird im Streitfall vom Unternehmer nachzuweisen sein, dass er angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen hat, damit das Geschäftsgeheimnis überhaupt bestand. Wir empfehlen daher die Aufnahme einer expliziten Geheimhaltungsklausel in die Vertriebsverträge, in der die Geschäftsgeheimnisse näher beschrieben werden. Hier geht es in der Praxis häufig um Kundenlisten.
Geheimnisschutz im Arbeitsverhältnis
In Standardarbeitsverträgen sind regelmäßig Verschwiegenheitsverpflichtungen enthalten. Solche Klauseln sind jedoch häufig zu allgemein und sollen abstrakt alles Geschäftliche ohne Differenzierung erfassen; In der Rechtsprechung werden solche Klauseln daher als unangemessene Benachteiligung und unwirksam angesehen. Hier besteht Anpassungsbedarf. Insbesondere sollten die zu schützenden Geheimnisse bezeichnet werden (z.B. betriebswirtschaftliche Unternehmensdaten, Kundenlisten, Marketingstrategierichtlinie, Forschungsergebnisse, etc.). Auf die organisatorischen und technischen Schutzmaßnahmen sollte verwiesen werden.
Vertragsstrafe
Vertraulichkeitsvereinbarungen sollten für den Fall eines Verstoßes eine Vertragsstrafe enthalten, weil es schwierig ist, den Schaden infolge der Verletzung der Vertraulichkeitsregelung darzulegen und zu beweisen. Dies ist umso bedeutender, weil der Unternehmer bei einem Verstoß eine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme nachweisen muss und die Vertragsstrafe diese Maßnahme indiziert.
Die Höhe der zu vereinbarenden Vertragsstrafe ist stets Frage des Einzelfalls und richtet sich u. a. nach der Bedeutung der abgesicherten Vertragspflicht und der von einer Pflichtverletzung ausgehende Gefahr für den Unternehmer sowie nach dem drohenden Schaden.