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Variable Vergütung – Bindung Arbeitgeber an Ziele und Berechnungsmethode

Einseitige und nachträgliche Änderung vertraglich festgelegter Ziele ist unzulässig!

Zielvereinbarungen enthalten regelmäßig neben individuellen Zielen auch Unternehmensziele, bei deren Erreichung den betroffenen Arbeitnehmern ein Zielbonus gewährt wird. Die Erreichung der individuellen Ziele ist für Arbeitnehmer eher nachvollziehbar. Ob und in welchem Umfang das betriebswirtschaftliche Unternehmensziel erreicht wird, ist hingegen im Detail schwer nachvollziehbar, zumal Arbeitgeber Spielraum bei der Gewinnermittlung haben sowie unterschiedliche Berechnungsmethoden zur Feststellung von Gewinn und Verlust anwenden können, die zu unterschiedlichen Bewertungen der Unternehmensziele führen können. Davon hängt regelmäßig ab, ob und in welcher Höhe Arbeitnehmer Anspruch auf einen Bonus haben. Rechtsanwalt Achim Voigt, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München erläutert, worauf es nach der Rechtsprechung für die Ermittlung der Zielerreichung bei Unternehmenszielen ankommt.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem Urteil (BAG, Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 364/13) mit der einseitigen und nachträglichen Änderung der vertraglich vereinbarten Ziele und der für die Ermittlung des Bonus angewandten Berechnungsmethode durch den Arbeitgeber auseinanderzusetzen.

Sachverhalt

In dem zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich Anspruch auf einen „variablen Bonus gemäß den jeweiligen gültigen Regelungen“. Eine für den Betrieb geltende Gesamtbetriebsvereinbarung hat den variablen Vergütungsanteil zu 60 % an Unternehmenszielen und zu 40 % an individuellen Zielen festgelegt. Die unternehmensbezogenen Jahresziele waren von der Geschäftsführung vorzuschlagen und mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Nachdem sich der Arbeitgeber und der Betriebsrat nicht einig geworden sind, wurden in einem Einigungsstellenverfahren die Unternehmensziele für das maßgebliche Geschäftsjahr festgelegt. Eines dieser Unternehmensziele war das so genannte EBITDA (Ertrag vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und auf immaterielle Vermögensgegenstände). Für das maßgebliche Geschäftsjahr hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft des Arbeitgebers zunächst ein EBITDA von 60,2 Mio. EUR ermittelt, welches der Arbeitgeber aufgrund von betriebswirtschaftlichen Einmaleffekten auf 86,7 Mio. EUR erhöht hat. Bereits im vorausgehenden Geschäftsjahr hat der Arbeitgeber so verfahren. Nach Mitteilung dieses EBITDA an die Konzernmutter wurde die Beklagte von dieser angewiesen, eine andere Berechnungsmethode bei versicherungsmathematischen Gewinnen und Verlusten vorzunehmen, die zu einer Reduzierung des EBITDA auf 70,5 Mio. EUR geführt hat. Der auf die Zahlung des Bonus klagende Arbeitnehmer hat mit seiner Klage die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber das EBITDA nach der bereits im Vorjahr angewandten Bilanzierungsmethode hätte ermitteln müssen und dies zu einem erhöhten Bonusanspruch für ihn führen würde. Die Vorinstanzen haben die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen.

Leistungsbestimmung Arbeitgeber nach billigem Ermessen

Nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entsprach die getroffene Leistungsbestimmung des Arbeitgebers nicht billigem Ermessen, so dass das BAG die Ermittlung des EBITDA durch das Gerichtsurteil korrigiert und dem Arbeitnehmer einen höheren Bonus zugesprochen hat.

Ermittlung des EBITDA nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB

Soweit mehrere betriebswirtschaftlich gleichwertige Methoden zur Ermittlung einer Vergütung relevanten Kennziffer, wie hier des EBITDA bestehen, kann dem Arbeitgeber durch Betriebsvereinbarung oder Spruch der Einigungsstelle die Bestimmung überlassen bleiben. Die Leistungsbestimmung hat nach billigen Ermessen gemäß § 315 BGB zu erfolgen.

Die maßgebliche Methode zur Ermittlung des EBITDA war weder in der Gesamtbetriebsvereinbarung noch durch den Einigungsstellenspruch festgelegt. Insofern hatte der Arbeitgeber dies nach billigem Ermessen gemäß vorzunehmen.

Das BAG hielt dem Arbeitgeber zu Gute, dass der Begriff des EBITDA durch gesetzliche und regulatorische Rechnungslegungsvorschriften nicht definiert sei und dem Arbeitgeber daher Spielräume für die Berechnung zustünden.

Bindung des Arbeitgebers an Ziele und Bewertungsmethoden aus Vorjahren

Allerdings hat das BAG zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden, dass bei einmal getroffenen Zielvereinbarungen die bereits festgelegten Ziele und Bewertungsmethoden für beide Arbeitsvertragsparteien bindend sind und nicht nachträglich einseitig geändert werden können. Zwar wurde festgestellt, dass der Arbeitgeber in der Vergangenheit sich nicht auf eine bestimmte Berechnungsmethode festgelegt hatte, sondern nach dem Zweck der gesamten Betriebsvereinbarung das EBITDA eigenständig festgelegt hatte. Jedoch entspricht es nach der Entscheidung des BAG nicht den Grundsätzen billigen Ermessens, dass der Arbeitgeber für das maßgebliche Geschäftsjahr die Korrektur des EBITDA allein aufgrund der Vorgaben der Konzernmutter vorgenommen und keine anderen anerkennenswerten Faktoren und Interessen in die Entscheidung einbezogen hat. Solche Faktoren, die nach billigem Ermessen zu berücksichtigen sind, hat das BAG hier in der Handhabung der Ermittlung nach den Vorjahren angesehen, die der Arbeitgeber hier nicht berücksichtigt hat.

Aus diesem Grunde hat das BAG die das Betriebsergebnis belastenden Pensionsrückstellungen abgezogen. Hierdurch hat sich das vom Arbeitgeber ermittelte EBITDA auf 78,6 Mio. EUR erhöht.

Tipp vom Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht

Die BAG-Entscheidung stellt fest, dass der Arbeitnehmer für die Zukunft erwarten darf, dass sich der Bestand der Zielvereinbarung, der Zahlungsvoraussetzungen für den Bonus sowie die Berechnungsmethode nicht ändert. Allerdings war vorliegend keine bestimmte Berechnungsmethode vereinbart, so dass das BAG dem Arbeitgeber dennoch einen „Spielraum“ bei der Ermittlung des EBITDA eingeräumt wurde, der sich jedoch an der Ermittlung der Vorjahre auszurichten hatte.

Letztlich kommt es bei der Prüfung, ob das Unternehmensziel erreicht worden ist, stets darauf an, dass sich der Arbeitgeber solcher Berechnungsmethoden bedient, die entweder durch Arbeitsvertrag, Rahmenvereinbarung oder Betriebsvereinbarung eindeutig festgelegt sind. Ist keine solche Festlegung erfolgt, muss der Arbeitgeber eine anerkannte Berechnungsmethode wählen und die Unternehmensziele nach „billigem Ermessen“, d.h. ohne Willkür nachvollziehbar ermitteln. Dies stellt sich in der Praxis umso schwerer dar, wenn eine konkrete Ermittlungsmethode nicht vereinbart ist.

In einem gerichtlichen Verfahren obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Zielerreichung, weil er sich auf die ihm günstige Tatsache der Zielerreichung beruft. Nachdem der Arbeitnehmer nicht über die Unternehmenskennzahlen verfügt, die zur Ermittlung der Unternehmensziele notwendig sind, hat der Arbeitnehmer an dieser Stelle Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten. Allerdings billigt die Rechtsprechung dem Arbeitnehmer eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast zu, wonach der Arbeitgeber ebenfalls abgestuft die Ihm günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss. Ungeachtet dessen steht dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Auskunftsanspruch zu, den er im Wege einer Stufenklage mit einem nachfolgenden Zahlungsanspruch verbinden kann.

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