„Berliner Testament“ – Behindertentestament
„Berliner Testament“ bei Hilfebedürftigen ungeeignet
In der Entscheidung des Sozialgerichts Mainz, Urteil vom 23.08.2016 – S 4 AS 921/15 hatte das Gericht die Frage zu entscheiden, in wie weit ein Hilfebedürftiger nach dem SGB II seinen Pflichtteil gemäß § 2303 Abs. 1 BGB geltend machen muss, mit der Folge, dass er bei Weigerung keinen Anspruch gegen den staatlichen Hilfeträger hat. Der Kläger stellte beim Hilfeträger (dem Beklagten) einen weiteren Bewilligungsantrag nach dem Tod seines Vaters und legte eine Kopie eines notariell verfassten „Berliner Testaments“ vor (Quelle: BeckRS 2016, 72896).
Berliner Testament – Was ist das?
Unter einem „Berliner Testament“ versteht man die gegenseitige Alleinerbeinsetzung der Ehepartner als Vollerben. Es wird zudem eine Schlusserbeneinsetzung für den Tod des Längstlebenden formuliert, so dass bei pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen dies zur Enterbung auf den ersten Todesfall führt mit der weiteren Konsequenz, dass diesen Abkömmlingen ein Pflichtteilsanspruch zusteht.
Typische Formulierung eines „Berliner Testaments“ mit Strafklausel
In dem dem Gericht vorliegenden Testament, welches notariell beurkundet war, heißt ist:
„… Wir setzen uns gegenseitig, der Erstversterbende den Längstlebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Nach dem Tod des Längstlebenden von uns berufen wir als Erben auf dessen alsdann vorhandenen Nachlass unsere gemeinschaftlichen Kinder zu je ein halb…..
Falls einer unserer Abkömmlinge nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, wird er mit seinen Nachkommen von der Erbfolge nach dem Längstlebenden sowie von jeder Zuwendung von Todes wegen ausgeschlossen. In diesem Fall sind sämtliche für ihn … geleisteten Aufwendungen und Ausgaben sowie die bereits übertragenen Vermögenswerte auf den Pflichtteil anzurechnen, soweit dies gesetzlich zulässig ist.“
Hilfeträger verlangt Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs
Der Beklagte forderte Auskunft von dem Kläger, zum einen über die Höhe des Nachlasswertes sowie weiter, ob er seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber der testamentarisch als Alleinerbin eingesetzten Mutter geltend machen werde. Demgegenüber wandte der Kläger ein, dass dies der Beklagte nicht verlangen könne. Zum einen läge eine besondere Härte vor, da seine über 80 Jahre alte Mutter schwer behindert sei, bei der zudem die Pflegestufe II festgestellt sei. Zudem würde, wenn er nunmehr seinen Pflichtteil einfordere, aufgrund der „Pflichtteilsstrafklausel“ sein Bruder erhebliche finanzielle Vorteile haben.
Der Beklagte erließ einen Bescheid, indem er unter anderem den Kläger aufforderte, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen diesen Bescheid.
Das Gericht ist der Ansicht, dass der Kläger seinen Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 BGB geltend machen muss. Dieser sei vorrangig einzusetzendes Vermögen. Durch das „Berliner Testament“ sei der Kläger – neben seinem Bruder – von der Erbfolge nach dem Erstversterbenden ausgeschlossen. Aus diesem Grund habe der Kläger einen Pflichtteilsanspruch, der nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbrecht als Vollrecht entstanden sei. Die Höhe übersteige den Vermögensfreibetrag (in Bezug auf die Hilfebedürftigkeit) des Klägers deutlich. Eine besondere Härte konnte das Gericht in dem vorliegenden Fall nicht erkennen. Soweit nämlich ausreichend war Vermögen vorhanden sei, wie vorliegend, kann die die Geltendmachung des Anspruchs bei tatsächlich bestehender Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht zu einer besonderen Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 2. Alt. SGB II führen. Bei der Geltendmachung des Pflichtteils ist regelmäßig eine Konfliktsituation gegeben, die aber der Erbeinsetzung im Rahmen des “Berliner Testaments“ geschuldet sei. Weitere sonstige“ besondere Umstände“ oder „besondere Belastungen“ konnte das Gericht dem Sachverhalt nicht entnehmen.