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Pflichtteilsquote

Das deutsche Erbrecht, mit seiner jahrhundertelangen Geschichte und ständigen Entwicklung, ist ein faszinierendes, aber auch komplexes Rechtsgebiet. Insbesondere die Regelungen rund um den Pflichtteil können schnell kompliziert und missverständlich werden. Dieser gewährt näheren Angehörigen einen finanziellen Mindestschutz und schränkt damit die Testierfreiheit des Erblassers ein.

Gerade in München, wo Vermögenswerte und Immobilienpreise in den letzten Jahren stetig gestiegen sind, stellt die korrekte Ermittlung der Pflichtteilsquote für viele Erblasser und Erben eine Herausforderung dar.

Die folgende Erläuterung soll Ihnen einen Überblick über die Pflichtteilsquote und deren Berechnung geben, und damit ein wenig Licht in das komplexe Gebilde des deutschen Erbrechts bringen. Unsere Kanzlei in München steht Ihnen mit Expertise und Engagement in allen Fragen des Erbrechts zur Seite.

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Die Pflichtteilsquote entspricht der Hälfte der gesetzlichen Erbquote (§ 2303 Absatz 1 Satz 2 BGB). Hat beispielsweise ein lediger Erblasser zwei Kinder, steht jedem enterbten Kind eine Pflichtteilsquote von ein Viertel zu, da die gesetzliche Erbquote der Kinder jeweils ein Halb betragen hätte. Zu beachten ist, dass entferntere Abkömmlinge (Enkelkinder, Urenkel etc.) solange nicht pflichtteilsberechtigt sind, wie nähere Abkömmlinge (beispielsweise Kinder) vorhanden sind.

Die Pflichtteilsquote eines enterbten Ehegatten ist abhängig vom ehelichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) und den beim Erbfall vorhandenen Verwandten des Erblassers (Kinder, Eltern, Geschwister).

a) Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bestimmt sich die Pflichtteilsquote des völlig enterbten Ehegatten, der also weder einen Erbteil noch ein Vermächtnis erhält, gemäß § 1371 Absatz 3 BGB nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil. Dieser sogenannte kleine Pflichtteil beträgt

neben Erben der 1. Ordnung 1/8,
neben Erben der 2. Ordnung und neben Großeltern 1/4,
neben sonstigen Verwandten 1/2.

Daneben kann der enterbte Ehegatte gemäß § 1371 Absatz 2 BGB den nach §§ 1372 bis 1390 BGB zu berechnenden Zugewinnausgleich geltend machen, wenn der Erblasser einen höheren Zugewinn erzielt hat als der überlebende Ehegatte. Dieser Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1378 BGB) ist eine Nachlassverbindlichkeit und deshalb vor Berechnung des Pflichtteilsanspruchs vom Nachlasswert in Abzug zu bringen.

Ist der überlebende Ehegatte nicht völlig enterbt, sondern hat einen Erbteil und/oder ein Vermächtnis erhalten, steht ihm der sogenannte große Pflichtteil zu. Dieser wird gemäß § 1371 Absatz 1 BGB aus dem um 1/4 erhöhten gesetzlichen Erbteil ermittelt (§ 2303 Absatz 2 Satz 2 BGB). Diese große Pflichtteilsquote beträgt

neben Erben der 1. Ordnung 1/4
neben Erben der 2. Ordnung und neben Großeltern 3/8
neben sonstigen Verwandten 1/2

Wird der überlebende Ehegatte nicht völlig enterbt, hat er weder ein Wahlrecht zwischen dem großen und dem kleinen Pflichtteil, noch kann er einen tatsächlich berechneten Zugewinnausgleich neben seinem Erbteil fordern. Gemäß § 1371 Absatz 3 BGB hat er jedoch folgende Möglichkeiten:

  • Er kann den ihm zugewandten Erbteil und/oder das ihm zugedachte Vermächtnis annehmen und zudem den großen Pflichtteil geltend machen. Wenn der Erbteil geringer als die große Pflichtteilsquote ist, kann er gemäß § 2305 BGB als Pflichtteilsrestanspruch die Aufstockung bis zum Wert des Pflichtteils verlangen. Den Wert eines etwaigen Vermächtnisses muss er sich gemäß § 2307 Absatz1 Satz 2 BGB auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen.
  • Er kann den Erbteil und das Vermächtnis ausschlagen und neben dem kleinen Pflichtteil den Zugewinnausgleich fordern. Dieses Ausschlagungsrecht steht dem überlebenden Ehegatten auch bei gesetzlicher Erbfolge zu.
  • Er kann den Erbteil ausschlagen und das etwaige Vermächtnis annehmen. Geht er so vor, kann er wenn der Wert des Vermächtnisses den Wert des Pflichtteils nicht erreicht neben dem Vermächtnis einen Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2307 Absatz1 Satz 2 BGB geltend machen. Für dessen Berechnung ist die große Pflichtteilsquote maßgeblich.

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Die Ausschlagung eines Erbteils muss vom überlebenden Ehegatten binnen einer Ausschlagungsfrist von nur sechs Wochen gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden (§§ 1944, 1945 BGB). Der überlebende Ehegatte hat also nach Eintritt des Erbfalls nur sehr wenig Zeit zu prüfen, welche Handlungsalternative (Ausschlagung oder Annahme des Erbteils) er wählt. Er sollte hierzu auf die Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht keinesfalls verzichten, da nicht nur die Berechnung der Pflichtteilsquoten, sondern auch die Ermittlung des Zugewinnausgleichsanspruchs rechtlich äußerst kompliziert sein kann und einen gewissen Zeitaufwand erfordert.

b) Bei der Gütergemeinschaft beträgt die Pflichtteilsquote des enterbten Ehegatten (wie beim „kleinen“ Pflichtteil in der Zugewinngemeinschaft):

neben Erben der 1. Ordnung 1/8
neben Erben der 2. Ordnung und neben Großeltern 1/4
neben sonstigen Verwandten 1/2

Zu beachten ist dabei, dass dem längerlebenden Ehegatten neben seinem Erbteil der ihm bereits vor dem Erbfall zustehende Anteil am Gesamtgut (§ 1416 BGB) verbleibt.

c) Im Güterstand der Gütertrennung ist nach § 1931 Absatz 4 BGB der überlebende Ehegatte neben einem oder zwei Kindern zu gleichen Teilen gesetzlicher Erbe, ansonsten zu 1/4. Sein Pflichtteilsanspruch beträgt somit:

neben einem Kind 1/4
neben zwei Kindern 1/6
neben drei oder mehr Kindern 1/8
neben Erben der 2. Ordnung und neben Großeltern 1/4
neben sonstigen Verwandten 1/2

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Eine Ausschlagung des Erbteils führt bei den Güterständen der Gütertrennung und der Gütergemeinschaft – anders als bei der Zugewinngemeinschaft – zum völligen Verlust des Pflichtteilsrechts, es sei denn, sie erfolgt im Rahmen des § 2306 BGB.

Eltern des Erblassers sind pflichtteilsberechtigt, wenn keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind und sie durch eine Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Hinsichtlich der Pflichtteilsquote der Eltern ist wie folgt zu unterscheiden:

  • Verstirbt der kinderlose Erblasser ledig und leben seine beiden Eltern noch, würde die gesetzliche Erbquote des Vaters und der Mutter je ein Halb betragen. Die Pflichtteilsquote beträgt im Falle der Enterbung ein Viertel je Elternteil.
  • Lebte der kinderlose Erblasser im Güterstand der Zugewinngemeinschaft würde die gesetzliche Erbquote der Witwe gemäß § 1931 Absatz 1, Absatz 3 BGB drei Viertel betragen. Das verbleibende Viertel entfällt hälftig auf die beiden Eltern, somit je Elternteil 1/8. Die Pflichtteilsquote beträgt dann 1/16 je Elternteil.
  • Lebte der kinderlose Erblasser im Güterstand der Gütertrennung oder der Gütergemeinschaft, erhalten seine beiden längerlebenden Eltern einen Pflichtteil von je einem Achtel.
  • Ist ein Elternteil vorverstorben ohne sonstige Abkömmlinge hinterlassen zu haben, verdoppelt sich die jeweilige Pflichtteilsquote des längerlebenden Elternteils.

Übersicht „Pflichtteilsquoten von Ehegatten und Kindern“

Güterstand Pflichtteil des Ehegatten neben Abkömmlingen Pflichtteil je Kind, falls Erblasser verheiratet war
Anzahl der hinterlassenen Kinder
1 2 3
Zugewinngemeinschaft (erbrechtliche Lösung) ¼ (großer Pflichtteil) ¼ 1/8 1/12
Zugewinngemeinschaft (güterrechtliche Lösung) 1/8 (kleiner Pflichtteil) 3/8 3/16 1/8
Gütertrennung

1 Kind:

¼

2 Kinder:

1/6

3 und mehr Kinder:

1/8

¼ 1/6 1/8
Gütergemeinschaft 1/8 3/8 3/16 1/8

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