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Nachweis des Erbrechts ohne Erbschein – Notar haftet, falls er ohne Grund einen Erbschein empfiehlt

Erben stehen nach Eintritt des Erbfalls immer wieder vor der Frage, ‚Braucht man immer einen Erbschein?‘ vor allem bei Bankgeschäften des Verstorbenen. Der pauschale Rat eines Notars, einen Erbschein zu beantragen, obwohl dieser im konkreten Fall nicht erforderlich ist, kann dazu führen, dass dessen wegfällt.

Legitimation des Erben gegenüber der Bank des Erblassers

Mit dem Tod einer Person geht dessen Vermögen auf den oder die Erben über. Allerdings muss sich der Erbe gegenüber den Banken legitimieren. Hierzu stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

Erbschein als klassische Legitimation des Erben

Im Regelfall wird sich der Erbe gegenüber Banken oder Sparkassen durch einen Erbschein (§ 2353 BGB) ausweisen. Allerdings verursacht die Beantragung des Erbscheins gerichtliche Gebühren, die bei höheren Nachlässen durchaus beträchtlich sein können. Der Vorteil eines Erbscheins ist, dass die Nachlassschuldner (z.B. Banken) mit sogenannter schuldbefreiender Wirkung an den Inhaber des Erbscheins zahlen können. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass der Erbschein unrichtig und tatsächlich eine andere Person als Erbe berufen ist, muss die Bank oder Sparkasse nicht erneut zahlen. Grund hierfür ist, dass der Erbschein die Vermutung der Richtigkeit enthält und deshalb öffentlichen Glauben genießt (vgl. §§ 2365 – 2367 BGB). Aus Sicht der Bank und des Bankrechts ist es also von Vorteil, wenn die Erben einen Erbschein vorlegen.

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Alternative Legitimationsmöglichkeiten zum Erbschein

Da die Erbscheinserteilung im Regelfall eine längere Zeit in Anspruch nimmt und mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist, hat sich die Rechtsprechung in der Vergangenheit immer wieder mit der Frage befasst, ob und wenn ja in welchen Fällen auf die Vorlage eines Erbscheins bei der Bank oder der Sparkasse verzichtet werden kann.

  • Der BGH hat im Jahr 2005 (NJW 2005, 2779) in einer grundsätzlichen Entscheidung folgenden Leitsatz aufgestellt: „Der Erbe ist nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen; er hat auch die Möglichkeit, den Nachweis seines Erbrechts in anderer Form zu erbringen.“
  • Der BGH hat im Jahr 2016 (NJW 2016, 2409) diese Rechtsprechung bestätigt und ergänzend ausgeführt, dass der Erbe gegenüber einer Bank sein Erbrecht auch durch Vorlage eines vom Nachlassgericht eröffneten, eigenhändigen Testamentes belegen kann, wenn diese letztwillige Verfügung die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.

Nachweis des Erbrechts durch notarielles Testament mit Eröffnungsprotokoll

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH ist ein vom Nachlassgericht eröffnetes notarielles Testament im Regelfall als ausreichender Nachweis für das Erbrecht des Erben anzusehen. Dies hat zur Folge, dass nur in wenigen Ausnahmefällen die Bank oder Sparkasse einen Erbschein verlangen darf. Die Bank oder Sparkasse wird also das vom Erben vorgelegte notarielle Testament einer gewissenhaften Prüfung unterziehen. Nur so kann vermieden werden, dass von der Bank oder  Sparkasse Auszahlungen an Personen vorgenommen werden, die tatsächlich nicht erbberechtigt sind.

Nachweis des Erbrechts durch ein privatschriftliches Testament mit Eröffnungsprotokoll

Nach der Entscheidung des BGH vom 05.04.2016 reicht auch die Vorlage eines privatschriftlichen Testaments mit gerichtlicher Eröffnungsniederschrift zum Nachweis der Erbfolge grundsätzlich aus. Der BGH macht aber die Einschränkung, dass ein privatschriftliches Testament nur dann einen Nachweis der Erbfolge darstellt, ‚wenn dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr und im Kapitalmarktrecht erforderlichen Eindeutigkeit nachweist‘. Der Grund hierfür ist, dass die Beweiskraft eines notariellen Testamentes höher ist als die eines privatschriftlichen Testamentes. Die Bank wird also nur bei konkreten und begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge berechtigt sein, ergänzende Erklärungen der Erben oder weitere Unterlagen einzuholen.

Eröffnungsniederschrift – was ist das?

Eine Eröffnungsniederschrift ist das Protokoll einer Testamentseröffnung durch das Nachlassgericht. Sie dokumentiert wichtige Details wie Eröffnungsdatum, Beteiligte, Testamentsinhalt und Versand einer Testamentsabschrift. Sie dient als Beweismittel über den Eröffnungsvorgang und ist gemäß § 348 FamFG den Beteiligten zugänglich.

Verfügung über Nachlasskonten mittels einer Vollmacht über den Tod hinaus

Der Erbe, dem vom Erblasser eine Vollmacht über den Tod hinaus erteilt wurde, kann unabhängig von der Vorlage eines Erbscheins oder der Vorlage eines notariellen bzw. privatschriftlichen Testamentes über die Nachlasskonten verfügen. Im Regelfall verlangen aber Banken und Sparkassen, dass (z.B. Vorsorgevollmachten) zumindest beglaubigt sind oder auf bankinternen Vordrucken erteilt werden.

Haftung eines Notars, falls dieser trotz Vorliegen einer Vollmacht zu einem Erbschein rät

Das Landgericht Münster hatte sich in seinem Beschluss vom 15.05.2017 (5 OH 42/16 = ZEV 2017, 522) mit der Frage zu befassen, ob ein Notar zur Beantragung eines Erbscheins raten darf, wenn zum Nachlass kein Grundbesitz gehört und dem Erben eine Vollmacht erteilt wurde, die auch für Online Banking galt. In dem vom LG Münster entschiedenen Fall hatte der Notar seiner Mandantin ausdrücklich mitgeteilt, dass sie einen Erbschein benötige, obwohl er wusste, dass der Nachlass ausschließlich aus Bankvermögen bestand und dass der Erbe über eine vom Erblasser erteilte Bankvollmacht verfügte.

Das Landgericht Münster hatte entschieden, dass diese Auskunft des Notars unrichtig war, da der Erbe aufgrund der Bankvollmacht die Möglichkeit hatte, ohne Erbschein über die Nachlasskonten zu verfügen. Dieser falsche Rat des Notars führt nach der Entscheidung des LG Münster dazu, dass er seinen Gebührenanspruch für die Beurkundung des Erbscheinsantrags verliert.

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Mandanten, die vom Erblasser eine Vollmacht über den Tod hinaus erhalten haben, sollten den Notar vor der Beantragung eines Erbscheins hierauf hinweisen. Der Notar kann dann im Einzelfall prüfen, ob trotz der Vollmacht die Beantragung eines Erbscheins erforderlich ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn zum Nachlass Immobilien gehören, die im Grundbuch auf den Erben umgeschrieben werden müssen. Eine Bankvollmacht oder eine nicht beglaubigte Vorsorgevollmacht reicht nämlich hierfür nicht aus, hier empfiehlt es sich, einen Fachanwalt hinzuzuziehen.

Bernhard F. Klinger

Bernhard F. Klinger

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht
Fachbuchautoren:
Beck Verlag stern
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