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Vorsorgevollmacht & Grundbuchamt

Von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht reicht im Grundbuchverkehr aus

In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine bevollmächtigte Person (= Vollmachtnehmer) im Namen des Vollmachtgebers Grundstücksgeschäfte (z.B. der Verkauf einer Immobilie) vornehmen kann. Nach § 29 GBO darf eine Eintragung im Grundbuchamt nur vorgenommen werden, wenn die Erklärungen der Beteiligten durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Wenn also ein Bevollmächtigter im Namen des Eigentümers eine Immobilie veräußern will, muss nicht nur der Kaufvertrag mit dem Erwerber notariell beurkundet sein; gem. § 29 GBO muss auch die erteilte Vollmacht dem Grundbuchamt zumindest in beglaubigter Form vorgelegt werden.

Betreuungsbehörden dürfen Vollmachten beglaubigen

Nach § 6 des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG) kann die Betreuungsbehörde die Unterschrift unter einer Vorsorgevollmacht öffentlich beglaubigen.

Gesetz über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (Betreuungsbehördengesetz – BtBG) § 6 

(1) Zu den Aufgaben der Behörde gehört es auch, die Tätigkeit einzelner Personen sowie von gemeinnützigen und freien Organisationen zugunsten Betreuungsbedürftiger anzuregen und zu fördern. Weiterhin fördert sie die Aufklärung und Beratung über Vollmachten und Betreuungsverfügungen.

(2) Die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde ist befugt, Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen. Dies gilt nicht für Unterschriften oder Handzeichen ohne dazugehörigen Text. Die Zuständigkeit der Notare, anderer Personen oder sonstiger Stellen für öffentliche Beurkundungen und Beglaubigungen bleibt unberührt.

(3) Die Urkundsperson soll eine Beglaubigung nicht vornehmen, wenn ihr in der betreffenden Angelegenheit die Vertretung eines Beteiligten obliegt.

(4) Die Betreuungsbehörde hat geeignete Beamte und Angestellte zur Wahrnehmung der Aufgaben nach Absatz 2 zu ermächtigen. Die Länder können Näheres hinsichtlich der fachlichen Anforderungen an diese Personen regeln.

(5) Für jede Beglaubigung nach Absatz 2 wird eine Gebühr von 10 Euro erhoben; Auslagen werden gesondert nicht erhoben. Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung der Gebühr im Einzelfall abgesehen werden.

(6) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Gebühren und Auslagen für die Beratung und Beglaubigung abweichend von Absatz 5 zu regeln. Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

In der Vergangenheit war aber bei einigen Gerichten und Grundbuchämtern diese Vorschrift des BtBG (noch) unbekannt. Es wurde deshalb die Vorlage einer öffentlich beglaubigten Vollmacht (z.B. seitens des Notars) gefordert.

Beglaubigungen der Betreuungsbehörde für Grundstücksgeschäfte ausreichend

In den letzten Jahren haben sich einige Obergerichte mit der Frage beschäftigt, ob eine von der Betreuungsbehörde nach § 6 BtBG beglaubigte Vollmacht den Anforderungen des § 29 GBO für eine Grundbucheintragung genügt:

  • Das OLG Dresden hatte als erstes Obergericht in seinem Beschluss vom 04.08.2010 (17 W 677/10 = BeckRS 2010, 26768 = NotBZ 2010, 409) entschieden, dass es sich bei § 6 Abs. 2 BtBG um einen Beglaubigungstatbestand handelt, der mit den Rechtswirkungen einer öffentlichen Beglaubigung ausgestattet ist.
  • Das OLG Naumburg hat in seinem Beschluss vom 07.11.2013 (12 Wx 45/13 = BeckRS 2014, 05585 = NotBZ 2014, 234) entschieden, dass eine von der Betreuungsbehörde beglaubigte Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung, die den Bevollmächtigten bei der Verwaltung des Vermögens des Vollmachtgebers zur Vornahme aller Rechtshandlungen ermächtigt, auch die Veräußerung von Grundstückseigentum und damit eine Auflassung gestattet. Diese beglaubigte Vollmacht genügt somit den Anforderungen des § 29 GBO.
  • Das OLG Jena hat in seinem Beschluss vom 06.06.2013 (9 W 266/13 = BeckRS 2014, 13726 = NotBZ 2014, 341) diese obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt und festgestellt, dass der Beglaubigungsvermerk einer Betreuungsbehörde den Anforderungen des § 29 GBO und des § 40 BeurkG entspricht.
  • Nunmehr hat das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 14.09.2015 (11 Wx 71/15 = BeckRS 2015, 18531 = ZEV 2016, 54) entschieden, dass eine Betreuungsbehörde gem. § 6 Abs. 2 S. 1 BtBG befugt ist, Unterschriften oder auch Handzeichen auf einer transmortalen Vorsorgevollmacht öffentlich zu beglaubigen. Das OLG Karlsruhe hat weiter festgestellt, dass eine derartige öffentlich beglaubigte Vollmacht den Anforderungen des § 29 BGO genügt.

Trotz dieser nunmehr herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung gibt es Kritik in der Literatur (vgl. Heinemann in seiner Anmerkung zum Beschluss des OLG Karlsruhe vom 14.09.2015 in FGPrax 2016, 10), weil angeblich verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörde bestehen.

Expertentipp

Bernhard F. Klinger, Fachanwalt für Erbrecht in München weist darauf hin, dass wegen der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung davon ausgegangen werden kann, dass ein Beglaubigungsvermerk der Betreuungsbehörde den grundbuchrechtlichen Anforderungen genügt. Er empfiehlt deshalb Immobilieneigentümern, die eine Vollmacht zugunsten einer Vertrauensperson erteilen, diese bei der zuständigen Betreuungsbehörde (diese ist nicht zu verwechseln mit dem Betreuungsgericht) nach § 6 Abs. 2 BtBG beglaubigen zu lassen. Die Kosten hierfür in Höhe von € 10,- sind deutlich niedriger, als bei einer Beglaubigung, die durch einen Notar vorgenommen wird. Der Erbrechtsexperte weist weiter darauf hin, dass für die Wahrung der grundbuchrechtlichen Formvorschriften eine Vollmacht lediglich beglaubigt, nicht aber notariell beurkundet werden muss. Eine Beurkundung durch den Notar löst erheblich höhere Kosten, als eine Beglaubigung seitens des Notars aus.

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