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Pflichtteilsrecht und Anfechtung der Erbschaftsannahme und Ausschlagung

Anfechtung einer Erbschaftsannahme wegen Irrtums und Folgen für das Pflichtteilsrecht

Der Bundesgerichtshof hatte in sein Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 387/15 (abgedruckt in ZEV 2016, 574 ff.) über die Frage einer Irrtumsanfechtung zu entscheiden, die sich auf § 2306 Abs. 1 BGB in der ab dem 01.01.2010 gültigen Fassung bezog.

§ 2306 Abs. 1 BGB lautet wie folgt:

„Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder einer Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.“

Beschränkung durch Testamantsvollstreckung

In dem konkreten Fall war eine Testamentsvollstreckung angeordnet, und der – ursprüngliche – Miterbe erklärte die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist und gleichzeitig die Erbausschlagung mit folgender Begründung: „Ich wollte die Erbschaft in Wirklichkeit nicht annehmen, sondern habe die Frist zur Ausschlagung versäumt, weil ich in dem Glauben war, dass sich im Falle einer Ausschlagung vollumfänglich vom Nachlass ausgeschlossen wäre und zwar auch bezüglich von Pflichtteilsanspruch des zu meinen Gunsten eingeräumten Untervermächtnisses. Ich habe mich also über den rechtlichen Regelungsinhalt des § 2306 BGB geirrt, der zu einem Irrtum über die Rechtsfolgen der Nichtausschlagung führte.“

Der Bundesgerichtshof sah die Anfechtung für erfolgreich an, da er allgemein unterstellt, dass ein mit Beschränkungen und Beschwerungen belasteter Erbe im Regelfall nicht weiß, dass er die Erbschaft ausschlagen muss, um seinem Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren.

Grundsatz: Wer ausschlägt, verliert seine Beteiligung am Nachlass

Dies resultiert aus dem Umstand, dass § 2306 Abs. 1 BGB gerade zu dem sonstigen Grundsatz des Gesetzes im Gegensatz steht, dass die Erbausschlagung zum Verlust jeder Nachlassbeteiligungen führt. Vielmehr kommt es in derartigen Fällen darauf an, dass ein mit Belastungen und Beschwerungen eingesetzter Erbe die Erbschaft nur deshalb nicht ausschlägt, weil er davon ausgeht, sonst keinen Pflichtteilsanspruch zu haben. Zwar wurde durch die Änderung des §§ 2306 Abs. 1 BGB die Differenzierung nach der Größe des hinterlassenen Erbteils aufgegeben und somit für mehr Rechtsklarheit gesorgt. Dies ändert aber nichts daran, dass der beschwerte Erbe weiterhin eine Abwägung treffen muss, ob er den belasteten Erbteil annimmt oder ausschlägt und im letzteren Fall den Pflichtteil verlangt. Es handelt sich dabei nicht um bloße Kalkulationsirrtümer, vielmehr um einen Inhaltsirrtum.

Ausnahme: Beschränkungen und Beschwerungen des § 2306 BGB

Der zum Erbe berufene Pflichtteilsberechtigte kann u.a. in folgenden Kostellationen sein Erbe ausschlagen und trotzdem seinen Pflichtteil geltend machen:

  • Beschränkung durch eine Teilungsanordnung
  • Einsetzung eines Nacherben (dh Erbe wird als Vorerbe eingesetzt)
  • Ernennung eines Testamentsvollstreckers
  • Beschwerung durch Vermächtnis oder Auflage

Tipp vom Fachanwalt für Erbrecht

Das Gesetz lässt es nur ausnahmsweise für einen pflichtteilsberechtigten Erben zu, dass er bei einer Erbeinsetzung das Erbe ausschlagen kann und weiter pflichtteilsberechtigt ist. Die in § 2306 Abs. 1 und Abs. 2 BGB genannten Fälle sind abschließend. Sollte es sich hier um keine gesetzliche Beschwerung oder Beschränkung handeln, würde tatsächlich der ausschlagende Erbe auch sein Pflichtteilsrecht verlieren. Dieser gesetzliche Grundsatz ist immer zu beachten. Bevor also die Erbschaft ausgeschlagen werden soll, ist juristischer Rat unabdingbar.

Manfred Hacker

Manfred Hacker

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht
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