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Führungskraft – Fehlende Zielvereinbarung – Schadensersatz – Höhe der erfolgsabhängigen Vergütung

Unterbliebene Zielvereinbarung führt bei Initiativlast des Arbeitgebers zum Schadensersatz

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat mit Urteil vom 17.07.2014 (Az: 7 Sa 83/14) der klagenden Führungskraft einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber zugesprochen, weil dieser weder ein Zielvereinbarungsgespräch geführt, noch eine Zielvereinbarung mit der Führungskraft zu Stande gebracht hat und schließlich durch Freistellung und unberechtigte Kündigung die Zielerreichung verhindert hat.

Schadensersatz des Arbeitgebers bei Initiativlast und unterlassenem Vorschlag einer Zielvereinbarung

Unterlässt der Arbeitgeber unter Verletzung einer ihn treffenden Initiativlast, eine Zielvereinbarung zustande kommen zu lassen, die Grundlage für eine zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte erfolgsabhängige Vergütung ist, so kann die angestellte Führungskraft die erfolgsabhängige Vergütung im Wege des Schadensersatzes als entgangenen Gewinn verlangen.

Die Höhe des Schadens ist gemäß § 287 ZPO vom Gericht nach den objektiven Umständen zu schätzen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Führungskraft die vereinbarten Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzulegen und ggf. nachzuweisen.

Zielgehalt, aber kein Zielvereinbarungsgespräch und keine Zielvereinbarung

Nach dem Arbeitsvertrag stand dem Arbeitnehmer eine erfolgsabhängige jährliche variable Vergütung zu, die sich nach einer im 1. Quartal des Zieljahres zu schließenden Zielvereinbarung richten sollte. Die erfolgsabhängige Vergütung der angestellten Führungskraft hätte für das maßgebliche Zieljahr 2012 bei 100%iger Zielerreichung entsprechend dem Vorjahr unstreitig 23.500,- € brutto betragen. Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis mit der Führungskraft bereits im Januar 2012 gekündigt und diese von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Aus diesem Grunde fand für das Zieljahr 2012 weder ein Zielvereinbarungsgespräch statt, noch wurde eine Zielvereinbarung getroffen.

Zunächst ist der Arbeitgeber aufgrund der Klage der Führungskraft zur Zahlung eines 40%igen Vorschusses auf die erfolgsabhängige Vergütung 2012 verurteilt worden. Mit der weiteren hier zu entscheidenden Klage hat die Führungskraft u. a. den Differenzbetrag zwischen dem zugesprochenen Vorschuss und der maximal erreichbaren Zielprämie von 23.500,- € als erfolgsabhängige Restvergütung für das Zieljahr 2012 geltend gemacht. Nach Abweisung der Klage durch das Arbeitsgericht hat die Führungskraft Berufung gegen die Entscheidung eingelegt.

Das LAG Köln hat der Führungskraft den Anspruch auf die erfolgsabhängige Vergütung zuerkannt, weil der Arbeitgeber eine Zielvereinbarung mit der Führungskraft nicht zustande gebracht hat und ihm die Pflicht zur Verhandlung darüber oblag.

Hinderung an Leistungserbringung durch Kündigung und Freistellung

Die Führungskraft konnte eine solche Zielvereinbarung durch seine Leistung nicht in vollem Umfang erfüllen, weil der Arbeitgeber die Führungskraft schuldhaft durch unberechtigte und rechtsunwirksame Kündigungen sowie eine Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung gehindert hat, durch eigene Arbeitsleistung die erfolgsabhängige Vergütung zu verdienen.

In dem zugrundliegenden Arbeitsvertrag und der Gesamtbetriebsvereinbarung war zwar ausgeführt, dass die Jahreszielvereinbarung im beiderseitigen Einvernehmen getroffen werden soll. Das LAG sah die Initiativlast für das Zustandekommen einer Zielvereinbarung jedoch eindeutig beim Arbeitgeber, weil der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag die Ziele nach pflichtgemäßem Ermessen zu setzen hat, wenn eine Zielvereinbarung nicht einvernehmlich zustande gebracht werden kann.

In dem zu entscheidenden Fall hat der Arbeitgeber daher nicht nur seine Pflicht, eine Zielvereinbarung zustande zu bringen, verletzt. Auch hat der Arbeitgeber die Führungskraft durch die rechtswidrigen Kündigungen und Freistellung an der Leistungserbringung schuldhaft gehindert.

Das LAG hat daher den Anspruch der Führungskraft auf die vereinbarte erfolgsabhängige Vergütung im Wege des Schadensersatzes gemäß §§ 280 BGB i. V. m. 283 Satz 1, 252 BGB zuerkannt.

Höhe der variablen Vergütung bei Nichtleistung

Die Höhe des entgangenen Gewinns als entstandener Schadens war vom Gericht zu schätzen.

Hierbei kam dem geschädigten Arbeitnehmer eine gesetzliche Beweiserleichterung zugute: Danach wird der Gewinn als entgangen unterstellt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Beweislast, Schätzung des Schadens

Bei der Schätzung des entstandenen Schadens ist das Gericht davon ausgegangen, dass Zielvereinbarungen nicht zwingend zu der in Aussicht gestellten Bonuszahlung führen müssen. Jedoch müssen festgelegte Ziele erreichbar sein, damit das Anreizsystem nicht verfehlt werde. Daher hat das Gericht weiter unterstellt, dass die Parteien redlicherweise Ziele vereinbart hätten, die der Arbeitnehmer bei seinen Fähigkeiten und seinem Leistungsvermögen ohne Schwierigkeiten zu 100% hätte erreichen können. Es ist nur dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Für solche besonderen Umstände trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.

Der Arbeitgeber hat in dem hier zu entscheidenden Fall keine solchen besonderen Umstände vorgetragen, wonach der Arbeitnehmer die zu vereinbarenden Ziele nicht erreicht hätte. Daher ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Führungskraft die zu vereinbarenden Ziele auch 100%ig erreicht hätte.

Tipp vom Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht

Die Entscheidung des LAG Köln ist im Ergebnis und auch in den Gründen zutreffend und schließt an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu unterbliebenen Zielvereinbarungen an.

Das Signal dieser Entscheidung geht insbesondere in Richtung Arbeitgeber.

Ist im Arbeitsvertrag ein variables Zielgehalt vereinbart worden, dann muss – soweit keine einseitige Zielvorgabe durch den Arbeitgeber maßgeblich ist – rechtzeitig zu Beginn der Zielperiode versucht werden, eine Zielvereinbarung zu Stande zu bringen. Hierfür ist wesentlich, wen die Initiativlast für ein solches Zustandebringen trifft. Diese wird regelmäßig dem Arbeitgeber obliegen, weil dieser Unternehmensziele steuert, die auf den Zielbonus von ausschlaggebender Bedeutung sind und der Arbeitnehmer diese häufig nicht kennt. Darüber hinaus soll das Unternehmen häufig durch individuelle Ziele des Arbeitnehmers vorangebracht werden und der Zielbonus eine entsprechende Belohnung sein. Zwar mögen erfolgsabhängig tätige Arbeitnehmer eigene Vorstellungen haben, welche individuellen Ziele für sie machbar sind und diese auch vorschlagen können. Es liegt jedoch zumeist im ureigenen Interesse des Arbeitgebers, neben objektiven Unternehmenszielen für den jeweiligen Mitarbeiter individuelle Ziele vorzugeben, um die Betriebsabläufe und/oder das Betriebsergebnis voranzubringen und den Mitarbeiter zu motivieren. Daher liegt die Initiativlast zumeist beim Arbeitgeber.

Stellt der Arbeitgeber den Mitarbeiter von der Arbeit frei oder erfolgt eine unberechtigte Kündigung, so liegt darin die vom Arbeitgeber verschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung des Mitarbeiters, der nun die sonst zu erwartende variable Vergütung nicht mehr erreichen kann.

Wenn der Arbeitgeber nun keine besonderen Umstände vortragen kann, aus welchen Gründen der Arbeitnehmer die sonst maßgeblichen Ziele nicht oder nicht in gehörigen Umfang erreicht hätte, haftet der Arbeitgeber auf die dem Arbeitnehmer entgangenen Gewinne – regelmäßig in Höhe der Zielvergütung der Vorjahre bzw. der maximal im Arbeitsvertrag vereinbarten die Vergütung (Kappungsgrenze).

Für den Arbeitgeber ist daher von besonderer Bedeutung, sich den Ablauf der Zielvereinbarungsgespräche, der Zielvereinbarung selbst und die Folgen des Unterbleibens klarzumachen und frühzeitig pflichtgemäß zu handeln und dies zu dokumentieren. Der Vorschlag von nicht erreichbaren Zielen gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet diesen nicht zur Annahme einer vorgeschlagenen Zielvereinbarung.

Arbeitnehmer sollten darauf achten, annehmbare Vorschläge des Arbeitgebers nicht abzulehnen, da sonst das Nicht-zu-Stande-Kommen von Zielvereinbarungen von Ihnen verschuldet wird und sie mit Schadensersatzansprüchen ausfallen. Ferner sollten bei Freistellung, Kündigung oder einfach unterbliebener Zielvereinbarung Ansprüche auf das Zielgehalt frühzeitig geltend gemacht werden, weil sich in Arbeitsverträgen regelmäßig Ausschlussfristen befinden, die Ansprüche häufig innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit ausschließen, wenn diese nicht schriftlich geltend gemacht werden.

Das Thema der unterbliebenen Zielvereinbarung ist umfassend. Weitere Hinweise finden Sie hier.

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