Ehegattenerbrecht und Scheidung
Ausschluss des Ehegattenerbrechts trotz Rücknahme des Scheidungsantrags
Das Erbrecht des Ehegatten trotz Scheidung oder Scheidungsverfahren ist im BGB unterschiedlich geregelt. Der folgende Artikel erläutert das gesetzliche sowie das testamentarische Erbrecht eines Ehegatten im Falle einer Scheidung.
OLG Naumburg, Beschluss vom 30.03.2015
Nach § 1933 S. 1 BGB ist das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Versterbens des Erblassers (in formeller Hinsicht) ein Antrag auf Ehescheidung rechtshängig und (in materiell-rechtlicher Hinsicht) dieser Antrag zum Zeitpunkt des Erbfalls begründet war. Eine erst nach Eintritt des Erbfalls erklärte und wirksam gewordene Rücknahme des Ehescheidungsantrags ändert nichts mehr am zuvor bereits kraft Gesetzes eingetretenen Ausschluss des Erbrechts. So der amtlicher Leitsatz einer Entscheidung des OLG Naumburg, Beschluss vom 30.03.2015 – 2 Wx 55/14, BeckRS 2015, 10356.
Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten
Der Entscheidung des OLG Naumburg lag ein Erbfall zugrunde, bei welchem der Tod des Erblassers während eines laufenden Scheidungsverfahrens eingetreten ist. Für einen solchen Fall bestimmt § 1933 BGB, dass das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen ist, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
Hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen der Scheidung vorliegen, kommt es in der Praxis überwiegend auf den Ablauf des sog. Trennungsjahres an. In dem vom OLG Naumburg entschiedenen Fall lagen die Voraussetzungen der Scheidung unstreitig vor. Das besondere des Falles aber war, dass die Ehefrau als überlebender Ehegatte kurz nach dem Tod des Erblassers den von ihr ursprünglich gestellten Scheidungsantrag zurückgenommen hatte. Sie beantragte aus diesem Grunde die Erteilung eines Erbscheins, der sie neben ihren Kindern als Miterbin zu ½ ausweist. Das Nachlassgericht hat diesen Antrag aufgrund der Regelung des § 1933 BGB zurückgewiesen. Der gegen die Zurückweisung eingelegten Beschwerde hat das OLG Naumburg nicht sattgegeben und dies wie folgt begründet:
- Das Eingreifen des gesetzlichen Erbrechtsausschlussgrundes gemäß § 1933 S. 1 BGB setze in formeller Hinsicht voraus, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls ein Antrag auf Ehescheidung rechtshängig gewesen sei. Diese Voraussetzung sei vorliegend gegeben gewesen.
- In materiellrechtlicher Hinsicht verlange § 1933 S. 1 BGB, dass der Antrag zur Zeit des Erbfalls begründet gewesen sei. Auch diese Voraussetzung sei gegeben gewesen, nachdem die Ehegatten bereits seit mehreren Jahren getrennt gelebt hatten und der Erblasser als Ehegatte der Ehescheidung zudem ausdrücklich zugestimmt hatte.
- An dem aus den vorangehenden Gründen eingetretenen Verlust des Erbrechts der Ehefrau ändere die erst nach dem Erbfall erklärte und wirksam gewordene Rücknahme des Ehescheidungsantrags nichts mehr, da der Ausschluss des Ehegattenerbrechts bereits zuvor kraft Gesetzes eingetretenen sei.
- Dies ergebe sich zudem aus dem eindeutigen Wortlaut des § 1933 S. 1 BGB, wonach für die Beurteilung allein auf den Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen ist.
Das Ehegattentestament im Falle einer Scheidung
Ludger Bornewasser, Anwalt für Erbrecht in München, weist im Hinblick auf das Ehegattenerbrecht in Scheidung lebender Ehegatten auf Folgendes hin:
Das OLG Naumburg hat nur zum gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten und somit zu der Regelung des § 1933 BGB entschieden. Haben sich Ehegatten gegenseitig in einem Testament als Alleinerben benannt, stellt sich ebenfalls die Frage, was nach einer Scheidung oder im Falle des Todes eines Ehegatten während eines Scheidungsverfahrens geschieht. Gleiches gilt, wenn die Ehegatten in demEhegattentestament ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt, wie dies beispielsweise in einem sogenannten Berliner Testament möglich ist.
Da es sich bei einem Testament um den niedergelegten Willen der Erblasser handelt, ist zunächst deren Wille zu erforschen. Es ist somit zu erforschen, ob die Ehegatten die gegenseitige Erbeinsetzung und/oder die Einsetzung ihrer Kinder auch für den Fall einer Scheidung wollten.
Wenn das Auslegungsergebnis nicht eindeutig ist, hilft die erbrechtliche Vermutung des § 2077 BGB. Dieser bestimmt, dass eine letztwillige Verfügung, somit ein Testament oder ein Erbvertrag, durch die ein Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam wird, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist.
Gleiches soll gelten, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Insoweit stimmt § 2077 BGB mit der Regelung des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten in § 1933 BGB überein. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass § 2077 Abs. 3 BGB bestimmt, dass der Entfall des Erbrechts des überlebenden Ehegatten dann nicht gelten soll, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser die Regelung auch für den Fall der Auflösung der Ehe getroffen hat. Bei testamentarischen Verfügungen ist somit immer zu prüfen, ob die Ehegatten tatsächlichen den Wegfall ihrer Verfügung im Fall der Scheidung wünschten, oder ob sie dies nicht wünschten.